10. Juli 2008: Chur – Davos – Samnaun – Livigno – Chur

Die Nacht war für uns am frühen Morgen schon vorbei. Was wir nämlich nicht wußten war, daß die Schweizer Armee fast direkt neben dem Campingplatz Militärübungen veranstaltet. Wir wurden von Granatenexplosionen und Schüssen geweckt. Wenn man als Kind der 80er Jahre schon keinen Krieg live miterleben durfte entschädigt das doch immerhin gewissermaßen. Wir nahmen eine Dusche in den wie gesagt extrem sauberen Anlagen des Platzes, warfen allen für die Tour nicht benötigten Kram in’s Zelt und fuhren gegen 8.30 los.

Erstes Ziel war Landquart, von dort weiter nach Davos. Auf halber Strecke hielten wir an einer Bank, Wal zog sich Schweizer Franken aus dem Automaten. Ich hatte welche von zuhause mitgenommen und Gomez hat sowieso nie Geld bei sich. Alles wie gewohnt.

Bis kurz vor Klosters stieg die Straße auf über 1000 m über Meer an, dann folgte nach Mezzaselva ein Tunnel. In Davos angekommen befanden wir uns bereits auf über 1500 m Höhe. Ich fuhr eine Runde durch die „Innenstadt“ von Davos und schaute mich um, was seit meinem letzten Besuch 2003 (zum Skifahren) sich hier verändert hatte. Es war nicht viel.

Ich schoß noch ein Photo vor unserem damaligen Hotel und nahm dann den Abzweig zum Flüelapaß in Richtung Susch.

Das war der erste Alpenpaß den ich am Steuer eines Kraftwagens fuhr. Ich war gespannt, wie sich der Daimler bei dieser Anstrengung verhielt, doch er steckte es weg als würde nichts passieren. Die Kühlwassertemperatur machte keine Anstalten nach oben zu gehen und der Wagen erklomm jede Steigung ohne Murren.

Auf der Paßhöhe schossen wir einige Beweisphotos, anschließend wollte Gomez auf’s Klo der anliegenden Gaststätte gehen. Selbst gegen Bezahlung wolle man Nichtgästen dies nicht gewähren. Sind wohl noch zu blöd zum Geldverdienen, oder haben es nicht nötig von uns Low-Budget-Touristen Geld anzunehmen. So fuhren wir halt einige Meter weiter und erleichterten uns in die Walachei.

Vom Flüela zurück ins Tal

In Susch fuhren wir an der Kreuzung links in Richtung Samnaun, die Landschaft war faszinierend, wir fuhren durch eine riesige Schlucht. Hinter der Schweizerischen Zollstation, die wir ohne Kontrolle passierten, ging es dann schließlich nach Samnaun hoch. Das ist Schweizerisches Zollausschlußgebiet und bedeutet: Es gehört zur Schweiz, aber nicht zum Schweizer Zollgebiet. Folglich ist hier alles was Spaß macht günstig: Diesel, Tabak, Alkohol.

Wir fuhren eine sehr enge eineinhalbspurige Straße entlang den Berg hoch. Hin und wieder ging es in kleine Tunnels, die keine Beleuchtung hatten und den Wagen mittels von der Tunneldecke rieselnden Gebirgswasser wuschen. Stockfinster war’s; wenn ein Wagen entgegengekommen wäre, wäre Fahrgeschick erforderlich gewesen, es ragen immer mal wieder Gesteinsbrocken aus den Tunnelwänden heraus in denen man sich wunderbar die Fahrzeugseite aufschlitzen kann.

Oben angekommen lächelte uns eine BP-Tankstelle an, bei der man für 1,16 EUR /L Diesel tanken konnte. Zum Vergleich lag der Dieselpreis in Deutschland zu dieser Zeit bei ungefähr 1,50-1,60 EUR /L, wahrscheinlich weil im Juli so viele Menschen heizen müssen und Angebot und Nachfrage daher den Preis nach oben trieben. Im angrenzenden Supermarkt gingen noch drei Flaschen Hochprozentiges mit. Die Einliterflasche Jack Daniel’s kostete ugf. 8 EUR.

Oben in Samnaun, an der Tankstelle

Damals sensationell günstig, im Vergleich zu 2009 ein Hohn

Direkt an der nächsten Kreuzung fuhren wir wieder rechts und standen direkt an der österreichischen Grenze, wo man uns auch nicht anhielt. Ich hätte mir vor dem Kauf des Daimlers nie träumen lassen, daß ich mit so einem Wagen an so vielen Grenzen unbehelligt vorbeikommen könnte. Vermutlich passe ich aus irgendeinem Grund doch nicht in das Beuteschema eines Zollbeamten, Gott weiß warum. Im Tal angekommen mußte ich mich erst mal verfahren. 15 km weiter wurde mein Fehler von Wal festgestellt, wir kehrten um und beschlossen aufgrund unseres Hungers eine Mittagsbrotzeit in einem Laden namens „Roadhouse“ einzunehmen, der genau an der Kreuzung lag, an der ich aus Samnaun kommend vorhin falsch abgebogen war (46°57'10.55"N, 10°30'38.55"E). Das Essen schmeckte vorzüglich und die Preise waren sehr angenehm. Der Kellner sah aus wie der verlorene Zwillingsbruder unseres Platzwartes in Chur, auch er hätte seine Haare in seiner Boxershorts einspannen können wenn er wollte.

Nun aber schnell weiter in Richtung Stilfserjoch, schließlich hat man nicht ewig Zeit wenn es morgen wieder in die Heimat gehen sollte. Die Italienische Grenze kam zusammen mit dem Reschenpaß näher. Die Grenze war vollkommen unbesetzt, lediglich die ehemaligen Anlagen und das Schild „Italia“ zeugten vom Grenzübertritt. Wir erreichten den Reschensee und hielten an einem Parkplatz an. Es bot sich ein Blick über den See und zu der im See versenkten Kirche. Man hat dort einen Stausee errichtet und dabei das ganze Dorf, das im Tal lag, überflutet. Netterweise hat man die Menschen vorher noch umgesiedelt. Nun ragt nur noch der Kirchturm aus dem Wasser. Angeblich kann man im Winter über den zugefrorenen See dorthin wandern.

Auf den Kilometern in Richtung Malles wurden wir plötzlich von einem Bauarbeiter angehalten der kurzerhand die Straße sperrte. Wie selbstverständlich fuhr nun eine Baumaschine auf die Straße und machte sich am Asphalt zu schaffen. Ich fragte nach, wie lange das Spektakel nun dauern solle und bekam als Antwort ein Schulterzucken. Bella Italia. Lieber mal einen Gang zurückschalten, hier läuft alles etwas anders. Nach ugf. 20 Minuten ging es weiter.

Kurze Zeit später nahmen wir die Abkürzung rechts zum Stilfserjoch. Das Schild „gesperrt“ nahmen wir nicht ernst – wird bestimmt nur ein Mißverständnis sein, warum sollten sie bei diesem genialen Wetter die Straße sperren? Doch kurz nach dem Aufstieg, nach der dritten oder vierten Kehre, standen wir tatsächlich vor einem Verbotsschild. Welch eine Enttäuschung. Wir fuhren nach Prad am Stilfserjoch zurück und berieten uns. Als Ausweichstrecke wurde der Weg über das Münstertal gewählt, anschließend sollten wir über den Umbrailpaß den Weg nach Bormio finden. Diese Strecke beinhaltet zumindest einen Teil der Strecke vom Stilfserjoch nach Bormio. Mögliche Problemquelle war, daß der Weg ein kurzes Stück wieder über die Schweiz führte, doch was blieb uns anderes übrig?

Auf die Höhe dieser Bergkette führt die Paßstraße des Stilfserjoch

Erst kurz zurück in die Richtung aus der wir kamen, anschließend links ab in’s „Val Mustair“. Der Schweizerische Grenzbeamte hielt mich an und fragte mich etwas in seinem völlig unverständlichen Dialekt. Nach zweimaligem Nachfragen verstand ich, was er wollte und meldete, daß wir Touristen seien. Wir durften passieren. In einem Bauerndorf zeigte ein Wegweiser nach links zum Umbrailpaß, der Weg war zunächst ziemlich unscheinbar und kam rüber wie ein Feldweg zwischen dem Weizenfeld von Bauer Huber und dem Rapsfeld von Bauer Schmidt. Doch dann begann eine ziemlich starke Steigung durch einen sehr dichten Wald. Die Strecke war wunderschön. Irgendwann wurde der Wald weniger, was durch fehlenden Asphalt kompensiert wurde.

Blick vom Umbrail zur Paßhöhe des Stilfserjochs

Die Paßhöhe befand sich auf 2500 m Höhe, ein Beweisphoto durfte natürlich nicht fehlen. Von hier aus konnte man schon die Grenze zwischen der Schweiz und Italien sehen. Hier finden laut Wikipedia schon länger keine Kontrollen mehr statt, es gab nicht mal mehr eine Zollstation oder -kontrolle. Auf italienischer Seite ging es rechts ab in das Tal nach Bormio. Zunächst sahen wir atemberaubende Serpentinen von oben, befuhren sie dann und anschließend gab es die eine oder andere beeindruckende grün bewachsene Hochebene, aufgrund der übersichtlichen Straßenführung konnte man auch mal etwas Gas geben.

Serpentinen auf der Südseite des Stilfserjochs in Rtg. Bormio

Den letzten Abstieg nahm ich nicht gerade nach Art des Hauses in Angriff sondern fuhr stark auf der Bremse. Das merkte ich dann in Bormio, wo wir einen Supermarkt besuchten. Im Stand ließ sich das Bremspedal ungewohnt weit durchdrücken. Oh, doch ein wenig heiß geworden, die Bremsen, was? Nach dem Einkaufen war alles wieder normal. Mittlerweile war es nach halb 7. Die geplante Streckenführung mußte etwas umgestrickt werden. Wal erkor die Route über Livigno und Julierpaß nach Tiefencastel aus. Ich stimmte mangels Alternative zu. Von Bormio befuhren wir den Passo di Foscagno.

Seltsam war, daß sich bereits vor Livigno eine Italienische Zollstation befand. An der ESSO-Tankstelle in Livigno traf mich der Schlag: 1,02 EUR /L für Diesel. Wie konnte das sein? Handelt es sich nur um einen Anzeigefehler? Wir hatten kein Geld dabei und unser Tank war noch fast randvoll nach unserem Besuch in Samnaun. Alle anderen Tankstellen zeigten denselben Preis an. Plötzlich dämmerte es mir: Ich las schon vor längerem von einem weiteren Zollfreien Gebiet neben Samnaun, das hier muß es wohl sein.

Weg von Livigno zur Schweizer Grenze

Welch Stunde der Idiotie, daß ich da nicht voher dran gedacht hatte, daß wir auch hier tanken könnten. Wir fuhren also ohne Geld ausgeben zu können weiter in Richtung Schweizer Zollstation. Dort angekommen witterte man wohl den Fang des Tages. Ja, klar. Drei junge Deutsche in einem fetten Benz in den Alpen, total unauffällig um Schnaps oder Drogen zu schmuggeln. Die Beamten durchsuchten Innenraum, Kofferraum, Reserveradmulde und den Motorraum und fanden nichts. Am Ausbau der Rückbank scheiterten sie. Daß sie nur die zwei roten Knöpfe hätten drücken müssen, verriet ich ihnen nicht, auch wenn dort nichts zu finden gewesen wäre. Wir durften weiterfahren. Obwohl wir nichts verbotenes dabei hatten zehrte diese Kontrolle doch an unseren Nerven, da wir alle so etwas noch nicht erlebt hatten und die Schweizer ausgesprochen unfreundlich waren, sodaß zu erwarten gewesen wäre, daß die Beamten einfach irgendwann irgendein Problem auserkoren hätten um Bußgelder von uns einzutreiben. Doch glücklicherweise kam es dann doch nicht soweit.

Die Sonne ging langsam unter, wir erklommen so langsam den Julierpaß, der panoramamäßig leider nicht so viel hermacht wie die Pässe die wir zuvor gefahren waren. Bei Tiefencastel war es schon dunkel geworden und die letzten Kilometer bis Chur konnten wir dann auch auf der Autobahn fahren. Wir waren nach der letzten Grenze ziemlich in Eile gekommen, da die Schranke des Campingplatzes offiziell um 20 Uhr schließt und wir nur ungerne den Wagen draußen stehen lassen wollten, wir hatten ihn ja schließlich mitbezahlt und er war die Schlafgelegenheit für den dritten Mann. Zu dritt im Zelt wird’s unnötig eng. Ankunft am Campingplatz war leider erst gegen 21.45 Uhr, der Platzwart ließ leider nicht mit sich reden, auch wenn er ansonsten einen sehr kompetenten und lässigen Eindruck machte. Immerhin verkaufte er uns noch ein wenig Bier. Der Wagen mußte draußen stehen bleiben. Wir bauten die Sitzfläche der Rückbank aus und legten sie ins Vorzelt. Wal und ich gingen in’s Zelt, Gomez schlief auf auf der soeben improvisierten „Matratze“.

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