12. Juni 2009: Livigno – Ponte di Legno
Nachdem wir aufgestanden waren – es war arschkalt bei der Nacht, nie wieder über 1000 m im Auto übernachten! – fuhren wir wieder runter nach Bormio, wo ich unseren Bargeldbestand am Automaten auffüllte. Anschließend suchten wir den Supermarkt auf, den wir auch schon letztes Jahr konsultierten. Nun ging es ohne weitere schuldhafte Verzögerung aufs Stilfserjoch. Auf dem Weg nach oben – es ging schließlich auf 2.760 m – kam der Daimler ganz schön in’s Schwitzen. Die Kühlmitteltemperatur passierte die 90, die 100 und schließlich die 110 Grad.
Ich erklärte es mir damit, daß das kleine Lüfterrad vom
Elektrolüfter, den das Auto verbaut hatte, zu klein für solche Aktionen
ist. Der starre Lüfter von meinem vorherigen W123, der ja leider durch
einen Unfall den Heldentod gestorben war, hatte den 1,5-fachen oder gar
doppelten Umfang und viel größere Blätter. Mit dem blieb auch beim
Aufstieg auf den Umbrail (2.500 m) anno domini 2008 die
Kühlwassertemperatur geschmeidig bei 85 Grad. Ich ließ den Daimler zwei
Mal im Stand abkühlen, während wir Photos machten.
Schließlich erreichten wir die Paßhöhe und genossen erstmal den
grandiosen Ausblick. Es war jedoch schweinisch kalt dort oben, nahe bei
null. Wir trieben uns eine Weile umher, dennoch war anschließend das
Auto immer noch am „Kaffeekochen“, wie wir das Nachlaufen des
thermostatgeschalteten Lüfters bezeichneten. Wir warteten, bis der
Kaffee fertig war und fuhren weiter. Das Auto hatte durch den
nachlaufenden Lüfter wieder 85 °C erreicht.
Man könnte denken, man wäre mitten im Winter im Skigebiet gelandet.
Beim Abstieg erlebten wir wieder mal ein Glanzstück in Sachen Autofahrkunst. In einer der über 40 Kehren des Stilfserjochs kam uns vor einer Kehre ein Auto aus dem Saarland entgegen (WND). Der Fahrer legte, wohl aus Angst, sein Auto, das wahrscheinlich noch der Bank gehörte, könnte in der Kurve einen Kratzer bekommen oder ich könnte ihm reinfahren eine Vollbremsung hin, was den hinter ihm fahrenden Motorradfahrer vom Rad warf. Während sich die anwesenden Personen um den gestürzten Motorradfahrer kümmerten, schien der Saarländer gar nichts gecheckt zu haben und fuhr munter weiter. Zu gerne hätte ich das Gemetzel auf der Paßhöhe mitbekommen, wo die beiden später bestimmt aufeinander getroffen waren.
Reschensee, der Kirchturm wurde seit dem letzten Jahr trockengelegt
und mit einem Gerüst versehen
Im Tal angekommen ging es erst einmal zum Roadhouse. Das ist eine Gaststätte bei Pfunds in Österreich hinter dem Reschenpaß (46°57'10.55"N, 10°30'38.55"E). Dort kehrten wir letztes Mal eher zufällig ein, weil ich mich – damals noch ohne Navi unterwegs – verfahren hatte. Dort nahmen wir den vorzüglichen „Roadhouse-Burger“ und je ein Radler zu einem Spottpreis ein und fuhren nach Samnaun weiter. Samnaun ist ebenfalls ein zollfreies Gebiet, jedoch liegt es geographisch in der Schweiz, deswegen wird dort mit Spielgeld bezahlt und alles ist etwas teurer als in Livigno. Ich ließ bei 282.073 km acht Liter Diesel für je 75 Cent in den Tank – mehr gingen nicht rein – und es gingen noch ein paar Schachteln Kippen für Gomez sowie Spirituosen mit (Jack Daniels und Havana Club jeweils ein Liter für je 8 Euro).
Zum Vergleich zu der Tour 2008, als der Diesel hier noch 1,16 EUR /L kostete
Anschließend wieder nach Österreich runter – die Österreichische Zollstation war bei beiden Vorbeifahrten unbesetzt –, über den Reschenpaß und wieder nach Italien. Via Meran fuhren wir nach Südtirol, durch Bozen und auf den Ritten, die Markus-Besold-Kardanwellen-Gedächtnisstrecke entlang. Auf dem Ritten, auf dem eigentlich so ziemlich gar nichts los war, nahmen wir eine Brotzeit ein und wollten anschließend über das Rittner Horn fahren, welches ich für einen Autopaß hielt. Jedoch standen wir irgendwann vor einem Fahrverbotsschild. Dann halt nicht, sollen da halt Wanderer ihren Spaß haben. Es ging dieselbe Strecke wieder runter und die Weinstraße entlang bis Mezzolombardo. Natürlich auf der Landstraße.
Wir fuhren rechts ab Richtung Cles, wieder in die Alpen
rein. Am Lago di Santa Giustina hatten wir einen herrlichen Ausblick
über eben jenen und die Anrainerdörfer. Einen Nachtplatz fanden wir
hier nicht, also ging es nach einer Umrundung weiter Richtung Ponte di
Legno, wo wir am nächsten Morgen den Einstieg zum Gaviapaß finden
wollten. Auf dem Weg sah Gomez rechts einen passablen Nachtplatz,
Bänke, Tische und eine Wiese. Ich wollte jedoch unbedingt noch ein
wenig weiter fahren und war mir sicher, daß wir noch etwas Besseres
finden würden. Also weiter bis Ponte di Legno, über den Passo del
Tonale – nichts. Ich fuhr stur weiter, wollte einfach nicht Unrecht
gehabt haben. Jedoch fanden wir bis kurz vor Edolo nichts außer Dörfer
und Tankstellen.
Wir wurden immer müder bis uns plötzlich der Alptraum eines jeden
Autofahres aus unserem Halbschlaf weckte – ein riesiges Reh, mitten auf
der Straße. Ich leitete die Vollbremsung ein, das Auto wäre sogar
rechtzeitig zum Stehen gekommen, es war schließlich staubtrocken und
ich hatte das Viech rechtzeitig gesehen. Jedoch hatte auch das Reh
seine Überlebensreflexe eingeschaltet und sprang von der Straße.
Schreck. Noch mal gutgegangen. Beinahe hätte mir meine Sturheit das
Auto oder die Gesundheit gekostet. Mit 180 Puls ging es weiter nach
Edolo, wir fanden nichts und beschlossen, wieder zu dem Nachtplatz von
vor Ponte di Legno zurückzukehren. War ja nur mein Sprit, der da
sinnlos verfahren wurde, also traf es ja den richtigen. Diesmal ohne
Rehbegegnung fuhren wir die knapp 50 km zurück, wieder über den Passo
del Tonale.
Dann den Nachtplatz angesteuert, Motor aus, Bier auf und den Tag Revue passieren lassen. Nachts wurde es doch beträchtlich kalt und so ließ ich den Motor durchlaufen und stellte die Heizung auf halbe Leistung. Dies hat uns wahrscheinlich den Motor gerettet, wie ich am nächsten Tag feststellen durfte.