4. April 2013: Ruhetag Sarajevo
Tagesetappe: 5 km
Wir checkten aus dieser seltsamen Bude wieder aus. Ein viel zu großes Hotel mit seltsamen Gästen (irgendwelchen Reisegruppen), und dazu ein relativ mieses Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir waren uns heute im Gegensatz zu gestern einig, wo wir die kommende Nacht verbringen wollten, nämlich genau in dieser Stadt. Und da bot es sich an, die Stellung zu wechseln und zentrumsnah zu residieren. Mit dem Hotel-WLAN machten wir uns ein Hostel für 80 DM klar. Nur das Parken wäre noch zu klären – das ist der Nachteil bei Zentrumsnähe.
Beim Frühstück unterhielten wir uns mit einem Deutschbosnier, der uns über die Lage in diesem so genannten „Land“ weiter ins Bild setzte. Hauptsächlich dahingehend, daß hier drei Volksgruppen, die Bosniaken, die Kroaten und die Serben zusammen leben müssen, obwohl sie es jeweils nicht wollen. Sie tun es nur um des Friedens willen – und weil sie angesichts der Kriegsgräuel irgendwann doch noch eingesehen haben, daß es verglichen mit Tod und Verderben nicht die schlechteste Wahl ist. Jeder fühlt sich als irgend etwas – sagen wir als Angehöriger der Volksgruppe X. Und wenn der Nachbar nicht X, sondern Y ist, oder so aussieht wie ein Y, oder zumindest so aussieht oder sich so verhält, wie man sich einen Y vorstellt, gehört er vertrieben, denn der entweiht den heiligen Boden der Gruppe X. Mit demselben Typen würde der X sich super verstehen, wenn er groß „X“ auf der Brust stehen hätte oder sich exakt so verhielte wie er selbst. Die Sprache ist bei allen Gruppen dieselbe, man lebt auf derselben Scholle, bloß hat jemand den falschen Buchstaben auf der Stirn, die falsche Flagge am Auto oder betet den falschen imaginären Freund an. Wahrscheinlich sind sie auch noch über zwei Ecken miteinander verwandt und wissen es nicht. Trotzdem verprügeln und erschießen und vertreiben beide einander. Es ist zum Heulen.
Blick aus dem Hotel Italia
Beim WLAN-Schnorren
Wir fuhren ins Zentrum und bezogen nach einigem Warten, das wir uns mit Bier und Skat vertrieben – das Auto im absoluten Halteverbot geparkt – unser Hostel. Das Vierbettzimmer war so eng, daß außer den Betten nichts hineinpaßte, und Dusche/WC auf dem Gang. Nun ja. Ich mußte irgendeinem schmierigen Kumpel vom Kumpel vom Hostelchef hinterherfahren, der seinen Hof, in dem von einer Oma mit einem Eimer Wäsche gewaschen wurde, als Parkplatz für 20 DM die Nacht zur Verfügung stellte. Zentrumsnahe Unterkünfte ohne eigenen Parkplatz sollte man doch eher vermeiden. Aber es war Mehrheitsbeschluß und ich hatte keine Lust, jede Hotelsuche und Buchung selbst zu übernehmen. So rutschte dieses Detail durch.
Hostel Home Sweet Home, „Vierbettzimmer“
Nach einer Ewigkeit war ich zurück im Hostel. Die anderen erwarteten mich schon. Wir starteten einen Stadtrundgang. Der Name „Sarajevo“ war für mich immer mit Tod und Leid verbunden. Der Kontrast dieses Bildes zur Realität war stark. Abgesehen von den vielen eng gebauten muslimischen Friedhöfen, auf denen alle Pfähle ein Todesdatum zwischen 1990 und 1999 eingraviert hatten, war es eine ganz normale, geschäftige, touristengefüllte balkanesische Großstadt. Im Gegensatz zu Belgrad war so gut wie alles restauriert und recht fein rausgeputzt. Wir ließen es uns um halb drei in einem Imbiß, dem Restaurant Vila Saraj bei Cevapcici, Hähnchen und Getränken gut gehen (48 DM). Danach gingen wir auf einen Eisnachtisch um 16 Uhr in den Konzum. Ein paar Getränke gingen auch noch mit. Dann liefen wir weiter durch die Stadt.
Unweit der Lateinerbrücke, dem Schauplatz des Attentats von Sarajevo, des Startschusses des 1. Weltkriegs
Nationalbibliothek von Bosnien und Herzegovina
Den würde ich mir als Winterwagen gefallen lassen ...
Unzählige Gräber
Blick ins Hinterland
Depeche Mode kommt!
Und wieder übermalte Ortsschilder ...
Reisegruppe Voigas
Auf dem Basar
Geiler Benz!
Ein Nekropol ist, wie sich schnell ableiten läßt, der muslimische Grabstein/-pfahl
Ab 19 Uhr, es war dunkel geworden, saßen wir vor einem Shisha-Café und pusteten bei einigen Runden Skat Rauch in die Luft. Dazu ging guter Balkantee rum. Shisha 5 DM, Tee 1,50 DM.
Den späten Abend ließen wir in einigen Bars, darunter dem „The Old Bell“ genau gegenüber des Hostels, wo es auch gute Pizza gab, ausklingen. Dabei hauten wir knapp 170 DM raus. Klingt so viel, runtergerechnet auf Euro und vier Personen ging es aber.
100 D-Mark