31. März 2013: Skopje (MK) – Priština (RKS)
Tagesetappe: 95 km
Wir riefen den „Vermieter“ wie abgemacht an und checkten aus. Das heutige
Ziel war Priština im Kosovo. Keine 100 km, das sollte Zeit für eine ausgedehnte
Stadtbesichtigung übrig lassen.
Auf dem Weg aus der Stadt heraus verfuhr ich mich zunächst einmal und landete in einem waschechten Slum. Schnellstmöglich umgekehrt erreichten wir sehr bald ein völlig gegensätzliches hochmodernes Einkaufszentrum, in dem wir Essen und Getränke sowie Postkarten bunkerten. Das Problem mit der fehlenden kostenfreien VISA rächte sich schon hier. Wir hatten kein Bargeld mehr, der Postkartenmann nahm keine Karte und wir konnten auch nicht mit Euro bezahlen, da das in Mazedonien offiziell verboten sei. Kostenlos Geld abheben war nicht. Also in den sauren Apfel beißen und Gebühren blechen. Henning half zum Glück mit seiner, leider nicht kostenlosen, Karte aus. So waren die Kosten aber wenigstens geringer als mit der EC. Damit sich die Aktion wenigstens lohnte, kaufte ich mir im Adidas-Shop nebenan eine stark heruntergesetzte Lokaltracht, vulgo Adidas-Jogginghose, auf Hennings Kreditkarte. Mit meinen Jeans fiel ich schon seit Tagen völlig aus dem Rahmen.
Selbstverständlich ein Elektronikmarkt. Ähnlichkeiten zu Saturn sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.
Das Kreuz, das über Skopje trohnt, um die albanische Minderheit zu ärgern
Ein paar Ampelkreuzungen, an denen Priština angeschrieben stand, als wäre es nichts besonderes, später erreichten wir auch schon die Grenze, die uns hinter einer Kurve gelegen völlig überraschte. Es wehte eine albanische Fahne über dem Posten, nicht die offizielle Fahne der „Republik Kosovo“. Ein kleiner Vorgeschmack.
Was ich schon wußte war, daß man vor Ort eine Versicherung erwerben mußte, da die grüne Karte nicht akzeptiert wird. Erfreulicherweise war sie mit 30 EUR nur fast halb so teuer, als vorab im Internet zu lesen war.
Zuschauer beim Topspiel Turbine Priština gegen Lokomotive Ferizaj
Bis Priština war es dann auch nicht weit. Es sah links und rechts sehr nach Albanien aus, einen Tick moderner sogar, da viele Häuser aus naheliegenden Gründen sehr neu waren. Vor Ort angekommen fragten wir im erstbesten, nach unserer Preiskategorie aussehenden Hotel nach. Es kostete 70 EUR für alle vier und wurde daher sofort in Beschlag genommen. Hotel Real in der Pashko Vasa 14.
Ähnlichkeiten zu ... ach, vergessen wir das.
Stadteinfahrt Priština
Blitzer wie zuhause
Hotel Real, sehr empfehlenswert
Das Regierungsgebäude direkt gegenüber
Nachdem wir kurz relaxed hatten, gingen wir am Newborn-Monument vorbei zum Stadion von Priština. Dort wurde Lars von einer Freundin, die erst kürzlich hier war, ein gutes Restaurant empfohlen: Das „N'Ode te Neki“.
Die Flaggen der Länder, die die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen
Daumen hoch für Mauretanien
Mazedonien schien ungeachtet dessen nicht sehr beliebt zu sein
Facebook zu verkaufen („Shitet“)
Restaurant „N'Ode te Neki“
Die Karte gab es nur auf Albanisch. Wir fragten nach, was alles bedeutete und der Kellner im Hintergrund bemerkte unseren Akzent. „Kommt ihr aus Deutschland?“ Er war als Flüchtlingskind in Deutschland, keine 10 km von Lars‘ Heimatort bei Siegburg aufgewachsen. Das Eis war schnell gebrochen und er freute sich riesig, wieder Deutsch sprechen zu können. Lenti, so hieß er, brachte uns noch eine Nachspeise aufs Haus und wir verabredeten uns für 22 Uhr, seinen Feierabend, auf eine kleine Stadtführung und ein paar Bier. Essen und Getränke kamen mit Trinkgeld auf 43 EUR.
... und inkl. Nachtisch!
Grnd Hoel Pristina
Auf Wikitravel oder einer ähnlichen Seite las ich, daß es am UNMIK-Hauptquartier einige Bars geben würde und man dort einen schönen Abend verbringen könnte. Wir nahmen ein Taxi dorthin und verabredeten uns mit dem Fahrer für später. Vor Ort war es, bis auf einen schlecht gelaunten Wachmann, ziemlich leer. Wir waren wohl falsch. Daraufhin liefen wir auf der Straße zurück, um ein Taxi zurück in die Stadt anzuhalten. Es kam keines. Chris photographierte das Schild eines „Technomarkt“, der sein Logo dreist von Media Markt geklaut hatte (Ähnlichkeiten ...), und wurde daraufhin umgehend vom Wachmann des Marktes gestellt. Der sprach kein Englisch, hatte dafür aber eine Machete als Meinungsverstärker in der Hand und war einer vernünftigen Lösung überhaupt nicht zugänglich, sondern rief die Polizei. Chris hatte ihm leider schon vorher seinen Ausweis gegeben. Wir warteten also auf die Polizei. Uns wurde mulmig. Diese kam bald und hörte sich unsere Version an (sie sprachen gutes Englisch), gab Chris seinen Ausweis sofort wieder und ließ uns unverzüglich gehen. Beim zügigen Abmarsch hörten wir, wie sie anfingen, den Wachmann zusammenzuscheißen – vermutlich weil er uns Touristen und die Polizei wegen einer solchen Nichtigkeit belästigt hatte.
Nun war wieder einige Zeit vergangen und so konnten wir unsere Verabredung mit unserem ursprünglichen Taxifahrer doch noch einhalten. Er kam tatsächlich wieder vorbei und fuhr uns in die Stadt. Nach einem Zwischenstopp im Irish Pub fuhren wir mit dem nächsten Taxi (es ist einfach spottbillig hier) zu Lentis Restaurant. Auch dieser hielt sich an die Abmachung und war sehr glücklich, uns wiederzusehen. Er hatte seinen Kollegen Mentor (sein wirklicher Name), der leider kein Deutsch und kaum Englisch sprach, dabei und zeigte uns Priština.
Denkmal zu Ehren Skanderbegs, des albanischen Nationalhelden.
Serbische Denkmäler, Sprache, Kultur, sucht man hier vergebens.
„Seit 5 Jahren unabhängig!“
Die Bill-Clinton-Statue (kein Scherz!)
EU-Kennzeichen
Wahlwerbung für die radikalalbanische Partei
Vetëvendosje! („Selbstbestimmung“)
„Wer wurde durch die Privatisierung des Kosovos zum Millionär?“
Darunter einige Namen kosovarischer Politiker.
Mentor, Chris und Lenti
Dann gingen wir mit den beiden noch auf einen Absacker ins Hotel. Sie weigerten sich beharrlich, sich von uns etwas ausgeben zu lassen. Wir tauschten noch die Kontakte aus und versprachen entsprechende Gastfreundlichkeit, sollten die beiden einmal nach Deutschland kommen. Die unglaubliche Surrealität dieser Stadt und des heutigen Abends verfolgte mich bis in den Schlaf. Was ein Kontrast zum Erwarteten!