1. Januar 2013: Nouadhibou – Nouakchott
Tagesetappe: 480 km
Nach dem verdienten Ausschlafen war der Aufbruch nach Nouakchott, dem südlichsten Punkt der Reise angesetzt. Von dort wollten wir wieder nach Norden in Richtung Atar fahren. Auf der Karte sieht das aus wie ein riesiges „V“, wobei jede Seite des Vs knapp 500 km hat. Nur, weil wir die Piste entlang der Bahnlinie nicht fahren konnten. Dann wollten wir den Ben Amira von Osten anpacken. Wenn das klappt. Camping Abba wurde bezahlt, 4500 UM pro Nacht.
Bei der Stadtausfahrt, als wir uns gerade an den ca. 50.000 190Ds ergötzten, erwischte einer von diesen einen Esel, und zwar volle Breitseite. Von jenem war nicht mehr viel übrig. Blondie nahm das ziemlich mit. Wir tankten voll (km 236.960, 46,76 l, 17300 UM). Der Tankwart war nicht ganz auf der Höhe der Zeit, denn er schaffte es nicht, mehr als einen Liter auf einmal hinein zu lassen und antwortete statt mit Wörtern nur mit Klicklauten, die man wohl als „Jawohl, mein Herr!“ zu interpretieren hatte.
Das Beste, was ein W210 werden kann
Die Landschaft hatte sich seit der Westsahara nicht wirklich verändert. Vielleicht ein paar mehr Bäume. Wir vertrieben uns die Zeit mit guter Musik und aus Suder-Lummi wurde so ganz rasch Gute-Laune-Lummi, auch weil es immer wärmer wurde. Wir stellten fest, daß man Europäer schon von weitem erkennen konnte, denn sie waren die einzigen, die Licht am Tag anhatten. Einige Militärkontrollen waren zu absolvieren, die Fiches genügten jedoch immer.
Um 19 Uhr, nach 450 km, kurz bevor die Stadteinfahrt Nouakchott begann, schalteten wir auf den zweiten Tank um, dann folgten drei Kontrollen direkt hintereinander. Gendarmerie, irgendeine Spezialpolizei und Police National. Mal wurden unsere Pässe inspiziert, mal unser Kennzeichen notiert, aber immer freundlich. Der eine konnte nicht mal Französisch, der andere dafür gutes Englisch. Immer ein wenig Glücksspiel.
Wir fuhren zur Auberge Sahara, die Lummi und Blondie von ihren früheren Reisen empfohlen hatten. An der Rezeption saß ein weißer Franzose im mauretanischen Boubou-Gewand, der nur schlechtes Englisch sprach. Wir machten eine Hütte auf dem Dach klar, 7000 UM pro Nacht, und ließen uns dann auf dem Stadtplan den Weg zum nächsten Geldautomaten zeigen. Es war zwar weit, aber wir gingen dennoch auf einen kleinen Nachtspaziergang durch die schwüle Neujahrsnacht.
Erst mal was Kühles zu trinken. Dann am Kreisel an der Tankstelle links, später wieder rechts, so landeten wir im Zentrum. Egal welchen Automaten wir jedoch ansteuerten, alle waren „hors service“, wie in Nouadhibou. Ich trat in ein x-beliebiges Hotel ein, wollte dort tauschen, war jedoch auch nicht möglich. Da ich kein Einzelzimmer für 40.500 UM pro Nacht (!) benötigte, empfahl ich mich rasch wieder.
Die Stadt war angenehm, wir hatten nicht eine halbwegs negative Erfahrung, von den üblichen Grattlern („Schenk mir was! Zahl mir was!“) abgesehen, aber die waren nicht zahlreich vertreten. Statt einfach irgendwo Wechselstuben zu errichten, verkauften die meisten Krämer entweder den gleichen Schrott wie ihre Nachbarn, oder total abgefahrene Sachen wie „Souvenirs allemand“. In den Laden gingen wir direkt rein, vielleicht sprach der Chef ja Deutsch? Er beachtete uns aber nicht weiter, und telefonierte mit irgendwem, uns geflissentlich ignorierend. Es war ihm völlig egal ob wir ihm den Laden leerkaufen wollten oder nicht.
Zusammenfassung: Alles scheiße. Kein Bankautomat, keine Wechselstube, kein Wechsel in Hotels. Dazu kam, daß wir ein wenig die Orientierung verloren hatten. Ich behauptete, wir liefen nach Osten, Lummi behauptete Westen, Blondie holte sein iPhone raus und war die Kompaß-App an. Die sagte Norden und zeigte auch die Straßenkarte an. Lummi vertraute dem Apfelgerät aber keinen Millimeter, obwohl es glasklar war, daß wir genau dort entlang liefen, wo die Karte es zeigte. Wir fanden uns bei einer „Chickandy“-Filiale, einem dreisten KFC-Fake, wieder. Bei so einer waren Lummi und ich letztes Jahr in Laayoune, und es war gar nicht so schlecht. Daher wurde der Hunger direkt hier bekämpft. Ein bißchen Geld aus Nouadhibou hatten wir ja noch. Etwas surreal war es schon, so ein modernes Restaurant mit halbwegs leckeren Speisen in dieser zwar ziemlich trashig-interessanten, aber sehr staubigen und doch irgendwie trostlosen Stadt, die sich sogar Hauptstadt schimpft. Es kam zu einigen recht sinnlosen Wortgefechten, in welche Himmelsrichtung was liegt, dabei war es mir ziemlich wurscht, ob wir noch eine Stunde in die falsche Richtung umherlaufen würden, aber es war insgesamt einfach idiotisch, darüber zu diskutieren, bloß weil jemand einem iPhone nicht vertraut. Erst als wir den Kellner fragten, ob das Handy denn recht hatte, und er dies bejahte, war wieder alles gut.
Nach dem Essen gingen wir noch einmal in einen Kiosk, vor dem auch ein weißer Mercedes ML parkte. Soweit nichts ungewöhnliches, hier fahren wirklich viele Luxuskarossen rum. Wo man Ersatzteile oder eine vernünftige Reparatur für so etwas bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Der Besitzer jedenfalls sprach uns in feinstem US-Englisch an: „Can I give you a ride?“. Er war wohl ausgewandeter Maure, sah auch sehr vertrauenswürdig aus, aber wir hatten es wirklich nicht mehr weit.
Zurück in der Auberge tauschten wir beim Kaftanträgerrezeptionsfranzosen für den schlechten Kurs von 360 etwas Geld und ich kaufte einen Haufen Postkarten, beschrieb sie und gab sie direkt zurück, um den Komplettservice in Anspruch zu nehmen. Morgen suche ich hier sicher kein Postamt mehr – da ginge bestimmt wieder der halbe Tag drauf. Es gab WLAN, damit ließ es sich gut aushalten, bei 25 °C nach Mitternacht. Es ging erst um 3 zu Bette.
10.000 Mickeymaus
Preistafel Auberge Sahara Nouakchott
P. S.: Die Postkarten kamen erst nach zwei Monaten in Deutschland an. Ob sie Monsieur Kaftan oder die Post vergessen hatte, oder sie noch so lange beim Zensor lagen, weil ich auf einigen etwas von Alkoholverbot schrieb, man weiß es nicht. Der Poststempel wurde jedoch erst Ende Februar gesetzt.