27. Dezember 2012: Dakhla (MA) – Nouadhibou (RIM)

Tagesetappe: 432 km

Tagesziel Nouadhibou, Mauretanien. Um möglichst früh über die Grenze zu kommen, klingelte der Wecker um 6.30 Uhr, es gab kein großes Frühstück, nicht mal einen Kaffee für Lummi, sondern es wurde direkt aufgesessen. Abfahrt um 7.10. Es war, obwohl wir unsere frühe Abfahrt gestern abgeklärt hatten, kein Wärter zu finden, der das Tor öffnet, daher mußten wir es auf die harte Tour machen und hupen. Schwupps, war der Wärter da und das Tor auf.

Blondie pennte gleich wieder weg, ich sah mir den schönen Sonnenaufgang vom Beifahrersitz an.

In Bir Guendouz beim Hotel Barbas, der letzten Übernachtungsmöglichkeit vor der Grenze, tankten wir noch einmal voll, was ging. Ob es eine funktionierende Tanke an der Grenze gab, wußte nur der Allmächtige (41,87 L, 265 MAD, 6,33 MAD /L). Außerdem gingen noch Cola, Milch und Snacks mit. Der Krämer wollte erst kein Trinkgeld, dann nahm er einen Dirham, kurz darauf zwei. Dann lachte er herzlich.

Die Grenze erreichten wir um 11.50 Uhr. Es war ein grausames Bild. Weit in der Ferne konnte man die Gebäude sichten und davor – nunja – eine endlose Schlange. Lummi und Blondie konnten es nicht fassen, sie hatten hier noch nie ansatzweise so viele Autos vor sich. Zurückfahren half nun auch nicht mehr.

Erst einmal die Lage checken und frühstücken. 95 % der Schlange waren Schwarzafrikaner aus Spanien, Frankreich und Italien auf dem Heimweg mit Exportautos. Ein britisches Pärchen, zwei Norweger, die vom Nordkapp bis zum Kap der guten Hoffnung fuhren, und zwei Tramper waren die einzigen Weißen. Und Paolo. Paolo war ein alter Italiener mit einem weißen Peugeot 306, hatte einen Senegalesen zum Freund und fuhr den riesigen Treck, in dem sich wohl alle kannten, mit. Er war ganz lustig drauf, bis zu dem Moment, als ein entgegen kommender Laster seine Fahrertür mitnahm, die er zur Lüftung offen gelassen hatte. Der LKW fuhr natürlich ohne anzuhalten weiter. Da hatte Paolo den Schaden und wußte nicht mehr ein und aus. Mit dem Hammer wurde die Tür notdürftig gerichtet, richtig schließen konnte man sie aber nicht mehr. Mit den Norwegern und den Trampern verstanden wir uns gut, wir unterhielten uns öfters und zählten die Autos vor uns. Um 14.20 Uhr waren es noch 91 vorm Feichtinger.

Ob wir es heute überhaupt noch schaffen würden? Eine Nacht am Minengürtel oder im Niemandsland braucht man nicht unbedingt. Die Tramper wurden von den Norwegern mitgenommen und mit den Briten verabredeten wir uns, gemeinsam durch das Niemandsland zu fahren. Denn im Gegensatz zu ihnen kannten Blondie und Lummi die Strecke schon. Es schien langsam vorwärts zu gehen. Eine halbe Stunde nach der letzten Zählung waren es „nur noch“ 64 Autos vor uns, darunter ein Porsche Cayenne und 6 (!) Heidelberger Kurzzeitkennzeichen. Wir tranken einen Tee und ich aß ein Lammtajine für günstige 40 MAD. Dann holten wir von der Tankstelle direkt an der Grenze noch zwei Kanister, die wir gut versteckten.

Taxistand Fort Guerguerat

Es schleppte sich wieder. Erst um 18.20 Uhr, als eine der letzten, fuhren wir hinter das Gitter auf das Abfertigungsgelände. Dann ging alles sehr schnell:

18.26 Paßkontrolle – schnell, freundlich, ein paar Bröckchen Deutsch
18.36 Zollkontrolle – „Drinks? No! Alcohol? No! Baggage? Yes, just personal stuff!“ – fertig
18.40 bei diversen Stellen Stempel und Beglaubigungen abholen, Ausreise notieren lassen
19.10 Ausfahrt ins Niemandsland

Das war einfach atemberaubend. 5 km Land, das niemandem gehört, das auch niemand haben will, und überall Müll und geschlachtete Schrottautos. Dazwischen Händler, die hier zu leben scheinen. In dem Ausmaß soweit mir bekannt einmalig auf der Welt. So mancher leichtsinnige Tourist, der sich im Gewirr der Pisten verloren hat, hat schon Bekanntschaft mit einer Mine gemacht und ist tot geblieben. Mittlerweile war die Hauptpiste aber breit wie eine Autobahn ausgefahren und wir mußten nur den Schwarzen hinterher fahren, die das hier wohl mehrmals im Jahr machen. Die Briten immer stramm hinter uns.

Mir war etwas mulmig, doch Lummi steuerte den Kahn souverän durch das Minengebiet. Nur einmal blieben wir in einem kurzen Sandfeld stecken, als wir einen Pulk Senegalesen überholen wollten. Besonnen schalteten wir den Allrad ein und gaben Gas. Der Wagen schüttelte sich, rüttelte wie nichts Gutes und Zentimeter für Zentimeter kamen wir wieder raus. Die nicht ganz so große Schlange vor dem mauretanischen Einfahrtstor erreichten wir um 19.24 Uhr.

Nun hieß es warten, inmitten von Banditen und Minen. Schlepper umringten uns und verlangten 50 EUR für ihre Hilfe. Brauchten wir nicht. Zwei Italiener waren so blöd, sie zu zahlen, kamen jedoch keinen Deut schneller über die Grenze. Einheimische versuchten, sich an der Schlange vorbeizudrängen und aus der Wartereihe eine Traube zu machen, doch mit vereinten Kräften schafften es die Wartenden, sie nicht reinzulassen. Um 20.42, es war stockfinster, fuhren wir auf den ersten mauretanischen Asphalt.

Zunächst überreichte Lummi das Essenspaket, das er für wenige Euro bei Aldi zusammengestellt hatte. Der Zöllner lachte. Keine Bestechung, einfach nur eine kleine Zuwendung für die armen Beamten, die hier Schicht schoben. Es zahlte sich aus. Ein Deutscher Schäferhund, der wahrscheinlich nur auf Leckerlis ansprang, wurde zur Abschreckung durch den Bus gejagt. Dann die Fragen: „Alcohol? Beer?“ Natürlich nicht. Um 20.54, nach 12 Minuten, wären wir mit der Zollkontrolle fertig. Wir fuhren vor die nächste Schranke. Es mußte eine Zoll-Ehrenerklärung ausgefüllt werden, die ganz offiziell 10 EUR kostete. Mit ihr gaben wir unser Ehrenwort, ich wiederhole: Unser Ehrenwort, das Auto in Mauretanien nicht zu verkaufen. Zurück auf der Straße kassierte ein abgehangener alter Maure 500 Oguya Gemeindesteuer. Hatten wir nicht, 2 EUR waren auch in Ordnung.

Nun zur Immigration. Die Pässe legten wir nach kurzem Warten dem Officer hin. Er konnte einigermaßen Englisch und scherzte, als er die Daten in den Computer hackte, mit unseren Namen herum. „Julian who? Julian Assange?“ Um 21.25 Uhr war das auch erledigt. Wir waren fertig.

Zusammenfassung: Marokkanische Seite 7.20 Stunden, Mauretanische Seite: 2 Stunden.

Es war noch die Versicherung zu erledigen. Es wurde zwar nicht kontrolliert, ob wir eine kauften, aber wir wollten es. Und sei es nur, um im Falle eines Unfalls nicht im Gefängnis zu landen. Geld sieht man sicher keines. Sie wurde nach Motorleistung bemessen und kostete für 21-30 Tage umgerechnet 62 EUR. Hier konnte für schlechte 350 MRO /EUR Geld gewechselt werden, was wir auf Nouadhibou verschoben, wo morgen fix ein Ruhetag anstand. Um 21.45 fuhren wir von der Grenze weg. Was für ein Tag.

Wir querten die Schienen der Erzbahn mit dem angeblich längsten Zug der Erde (w) und rauschten nach Nouadhibou. Ein lautes Dröhnen kam vom Unterboden, sehr rhythmisch, klang besorgniserregend. Da wird es wohl was im Niemandsland zerlegt haben, womöglich bei der Sandfeldaktion. Morgen nachsehen.

10 km vor Nouadhibou gaben wir unseren ersten Mauretanien-Fiche ab, 2 km später noch einmal, diesmal mit Schranke am Posten. Wieder 1 km stand der Zoll Gewehr bei Fuß. „Ça va?“ – wir durften ohne Fiche weiter. Die Stadteinfahrt erreichten wir um halb 11. Die Koordinaten von Camping Abba, dem Stammplatz von Lummi und der Dust-and-Diesel-Rallye, wurden ins GPS eingegeben.

Die Stadt machte bei Dunkelheit einen guten Eindruck. Es gab massig Läden mit allem was man so braucht, Gewusel, Restaurants, Tankstellen etc. und abgesehen von dem vielen Sand und den imposanten maurischen Gewändern (Boubou auf Arabisch) erinnerte es mich sehr an Marokko. Wir erreichten den Campingplatz (km 236.564). Zu Abend gab es Spaghetti mit Käsesauce. Mit den Norwegern tranken wir auf den wahnsinnigen Tag einen Sekt, den der Zoll nicht fand. Aber so ganz warm wurden wir mit ihnen nicht, sie waren von einem anderen Schlag und wollten morgen in eine bessere Auberge und dann die Ebbstrandpiste nach Nouakchott fahren.

zurück - start - weiter