24. Juli 2012: Lodenoye Pole – Petrozavodsk – Camping Sandal (Sopokha)

Tagesetappe: 300 km

Als wir aufwachten merkten wir immer noch das Geprassel auf dem Zeltdach. Unter dem Tankstellendach versuchten wir unser Schlafgemach so gut wie möglich trocken zu schütteln und sattelten auf.

Wer ein paar Brocken Finnisch kann merkt, daß das Karelische eng damit verwandt ist (tazavaldu/tasavalta: Republik)

In der gestern im Dom Knigi gekauften Karelienkarte sah Jan nach, was es so auf der Strecke zu sehen gab. Einen schönen Blick über einen See erkorte er aus, wir bogen die paar km ab. Die Straße wurde schlagartig schlecht, der Ausblick über das karelische Idyll war aber ganz nett. In dem Ort war gerade Flohmarkt, aber wir fanden nichts. Im ärmlichen Kiosk lediglich eine Packung schön trashige Belomorkanal-Papirossi, die Jan aus Jux gleich kaufte (w).

Kiosk

Ein weiterer Blick auf die Karte verriet, daß zwischen hier und Pedozavodsk nur noch eine Tankstelle käme – die steuerten wir an. Es war jedoch keine Tanke, sondern nur ein Cafe, dessen ziemlich skandinavisch bis finnisch (karelisch) aussehender Besitzer Diesel aus Kanistern verkaufte. Er sprach nur russisch, daher machten wir Menge und Preis (10 l, 300 RUB) auf einer Seite im Reisenotizbuch aus. Er nahm natürlich einen kleinen „Aufschlag“.

Nach einem Kaffee und dem furchterregenden Blick auf den grellgrünen Tümpel hinter den Ölfässern – so muß es nach einem Atomkrieg aussehen – fuhren wir weiter.

Auf Petrozavodsk wollten wir nur einen kurzen Blick werfen, Einkaufen und Tanken. Ich landete in einer Sackgasse. Dort fiel mein Blick auf die Wassertemperatur: 100 °C. Das war außergewöhnlich. Ich sah unter die Motorhaube und roch schon das heiße Kühlmittel. Ein Kühlerschlauch war geplatzt. Wir fuhren zur nächstbesten Werkstatt und kamen nach einiger Wartezeit dran. Wieder konnten wir uns nicht verständigen, aber ein geplatzter Schlauch braucht keine Worte. Zielstrebig wurde ein Alurohr herbeigeholt, mit dem der Schlauch wieder hingepfuscht wurde. Außerdem wurde „Antifris“, Frostschutzmittel, nachgekippt. Die Stunde Arbeit kostete inkl. Glysantin 800 RUB.

Wer eine gute Werkstatt in Petrozavodsk sucht: Google Maps

Im „Tetris“-Einkaufszentrum sahen wir uns noch um und aßen einen „Fresh Burger“ aus der Mikrowelle. Über das WLAN checkten wir die Nachrichten ab und ich telefonierte per Skype für 2 Cent statt 3 EUR die Minute mit dem Handy mit König Tours wegen der angeblich notwendigen Registrierung nach einer Woche in Rußland. Man bestätigte mir, daß sie erst nach 7 Werktagen (!) Pflicht sei, und uns somit nicht betraf.

Stadion Spartak Petrozavodsk

Nach dem Tanken am Ortsausgang (60 l, Punktlandung!) steuerten wir Sandal Camping an, den einzigen Campingplatz den ich übers Internet auf unserer Route nördlich von St. Petersburg ausfindig machen konnte.

Rechts im Bild: Die Murmanbahn (w)

Schokolade in ansprechender Verpackung, sie schmeckte jedoch wie schlecht gewordene Konfitüre

Die Wegbeschreibung machte es leicht ihn zu finden. Man fuhr von der Hauptstraße noch ein paar hundert Meter durch extrem dichten und hohen Waldbestand, dann erreichte man den matschigen Empfangsplatz. Wir nahmen uns einen Bungalow für 1100 RUB, um uns von den Schlafstrapazen der vergangenen Tage zu erholen. Nach der überfälligen Dusche sahen wir uns um und machten Bilder von der extrem hoch stehenden Sonne. Russische Familien tranken und grillen überall auf dem Platz.

Unsere einfache aber nettes Koje

Links die Bungalows

Wir machten es uns danach auf unserem Balkon gemütlich, aßen kalt zu Abend und probierten die Papirossi aus – Prädikat extrem ekelhaft.

Dann klopfte es an der Tür. Wir machten auf und einer der vielen hier übernachtenden Russen stand dort und textete uns zu. Wir verstanden kein Wort. Er machte mit der Hand deutlich, daß wir doch mal mitkommen sollten. Er führte uns in seinen Bungalow direkt neben unserem. Dort war der Tisch gedeckt und wir wurden gebeten, Platz zu nehmen.

Er und seine Familie sprachen kein Deutsch oder Englisch. Trotzdem unterhielten wir uns. Wie, das kann ich im Nachhinein auch nicht genau sagen. Das sind genau die Momente, wegen derer ich solche Reisen mache. Die Oma machte die Kartoffel-Fleisch-Pfanne noch einmal warm, während dessen gab es Fischsuppe.

Ich holte den Wodka aus unserem Bungalow, um mich in unserem Namen zu bedanken, doch keiner der Russen mochte Alkohol. Soviel zu den Vorurteilen. Nach dem unverhofften und sehr leckeren 5-Gänge-Menü rauchten wir alle zusammen eine auf dem Balkon. Der Vater zeigte uns seine Handyvideos von seinem heutigen Ausflug in der Region. Sie waren selbst auf Urlaub hier, sie kamen aus der Gegend von Moskau und er arbeitete als IT-Fachmann. Sie empfahlen uns die Wasserfälle keine 10 km von hier. Wir bedankten uns tausendmal, ließen zwei Tüten Haribo als Geschenk da (spezialnost iz Germania!) und gingen vom Wodka gut angeschickert ins Bett. Dunkel wurde es nicht mehr.

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