18. August 2011: Behramkale – Fähre Yalova – Gültepe (Istanbul)
Tagesetappe: 460 km
Die Nacht im Zelt war sehr warm. Ich schlief länger als Jonas und Taylan, als ich wach wurde hatten die beiden schon gefrühstückt und saßen am Wasser. Taylan war schon umhergezogen und hatte Photos vom Ort gemacht. Ich holte das Frühstück nach. Brot, Ziegenkäse, Tomaten und etwas zu trinken. War in Ordnung. Wir checkten noch mal das Internet und fuhren dann los. Tagesziel war Istanbul, wir wollten die Fähre in Bandırma nehmen, die auf unseren Karten eingezeichnet war.
Nach etwas mehr als einer Stunde waren wir wieder bei Çanakkale, das wir aber jetzt links liegen ließen. Um 14 Uhr wechselten wir in Lapseki bei der Türkiye İş Bankası Geld, was ewig dauerte, da wir erstmal anstehen mußten und dann unsere Personalien aufgenommen wurden. Name, Herkunft, Telefonnummer etc. Nur der Ariernachweis der Großmutter hätte noch gefehlt. Zur Belohnung gab es einen sensationell schlechten Wechselkurs von 2,49 TL für 1 EUR.
Ein paar Kilometer vor Bandırma hielten wir zum Pinkeln an einer Tankstelle, wo ich mir ein „original“ Mercedes-Benz-Feuerzeug kaufte. Ein Türke fragte nach einer Mitfahrgelegenheit nach Bandırma und bat an, uns dafür den Weg zu einem Supermarkt und zum Hafen zu zeigen. Er quetschte sich neben Jonas auf die volle Rückbank. Dort angekommen verzettelten wir uns an einem Kreisverkehr, ich fuhr irgendwie verkehrt hinein. Unser Mitfahrer sagte dann, er müsse sowieso hier raus, bedankte sich und hielt die entgegenkommenden Autos auf, damit wir weiter zum Carrefour fahren konnten, der nicht mehr weit war. Dort deckten wir uns mit frischen Lebensmitteln ein, um auf der Fähre picknicken zu können.
Der Hafen befand sich einfach die Straße weiter runter. Dort stellte sich heraus, daß die nächste Fähre erst um 21.30 Uhr ginge. Wir hatten gerade erst halb fünf. Neben uns stand eine deutschtürkische Familie aus Krefeld, mit der wir uns noch kurz unterhielten und die genau wie wir nun planten, nach Yalova zur nächsten Fährverbindung zu fahren.
Die Straße dorthin war zum Teil neu asphaltiert und ließ auch öfters mal 120 km/h zu. Hin und wieder war sie noch in der Erneuerung und Baustellenbeschränkungen waren zu beachten, doch es gab keine künstliche unnötige Schleicherei wie in manchen deutschen Autobahnbaustellen. Wir fuhren an Bursa vorbei und konnten von der Straße aus den Uludağ (w) sehen, nach dem die Limonade beim Dönermann benannt ist. Früher wurde sie tatsächlich aus dem Quellwasser dieses Berges gebraut.
Bursa und im Hintergrund der Uludağ
Je näher Yalova kam, desto mehr näherte sich die Tanknadel dem Boden. Weil wir nicht schon wieder die Fähre verpassen und heute unbedingt noch nach Istanbul kommen wollten, fuhren wir dennoch weiter ohne zu tanken, und es reichte. Die Fähre kostete 116 TL und ging ziemlich bald los. Sie spart einem immer noch gute 180 km Fahrt.
Wir nahmen unser Essen in Tüten auf das Passagierdeck mit und machten uns auf einem Tisch am Brot, den Tomaten, dem Käse und allerhand anderer Leckereien zu schaffen. Wir hatten einen Bärenhunger. Als wir mitten beim Futtern waren fiel uns auf, daß die Sonne ja noch nicht untergegangen war und außer uns niemand etwas aß oder trank. Nun war es aber zu spät, auch wenn uns manch missgünstiger Blick wie ein scharfes Schwert traf. Und das, obwohl Reisende eigentlich von Ramadan ausgenommen sind. Aber die genaueren Regeln kenne ich ja auch nicht.
Anschließend gingen wir an die frische Luft und sahen die Sonne im Meer versinken, während die Lichter der einzigen Stadt auf zwei Kontinenten immer näher kamen.
Hier auch zu sehen: Die Prinzeninseln (w)
Das Boot legte im Hafen von Yenikapı an, wir waren wieder in Europa. Die Tankanzeige zeigte tiefrot, da wir aber im Notfall noch den Kanister aus Bulgarien dabei hatten, verschoben wir das Tanken auf später.
Es machte viel Spaß, durch die nächtliche Weltstadt zu fahren, und auch der Fahrstil gefiel sehr. „panta rhei“, alles fließt, wie der Grieche sagen würde. Kein unnötiges Geschleiche und gefahren wird da, wo Platz ist. Richtig gefährlich ist hier eigentlich nur, daß niemand angeschnallt ist. Das verkürzt die statistische Lebenserwartung für den durchschnittlichen Istanbuler Taxifahrer natürlich deutlich. Der Lonely Planet von 2001, den ich ausgeliehen bekommen hatte, schreibt darüber sinngemäß: „Die meisten türkischen Autofahrer glauben an Glück und Schicksal. Wenn ein Unfall passiert, ist das Schicksal und nicht durch das persönliche Handeln beeinflußbar. Anschnallen, gute Reifen und angepaßte Geschwindigkeit wird als Zeitverschwendung angesehen, da sowieso alles in Allahs Buch steht. Die Unfallrate in der Türkei ist drei mal so hoch wie in der EU und sechs mal höher als in den USA.“
Das Navi hatte sogar eine Karte für die Westtürkei, und so ließen wir uns zum Haus von Taylans Oma navigieren. Scheinbar konnte es jedoch nicht zwischen befahrbaren und nicht befahrbaren Straßen unterscheiden und so standen wir irgendwann an einer gut 40-prozentigen Steigung und mußten uns den Weg nach Gültepe erfragen.
Irgendwann erkannte Taylan die Straßenzüge wieder, und schon standen wir vor dem Haus. Als wir unser Gepäck abluden kam schon ein alter Bekannter, Ercan, vorbei und unterhielt sich mit Taylan auf Türkisch. Er führte uns zu einem Otopark, der nur zwei Ecken weiterlag, und für den er sich persönlich verbürgte. Dort wurde der Dünomat zentimetergenau zwischen Motorrädern und einem Pfeiler eingeparkt. Nachdem wir das Grasangebot der Verwalter abgelehnt hatten sollte ich noch den Schlüssel für das Auto abgeben, was mir etwas seltsam vorkam. Doch Ercan beschwichtigte mich, das sei hier normal, da immer wieder umgeparkt werden müsse, um den kleinen Garagenraum, der in Deutschland höchstens für zwei Autos und etwas Gerümpel gereicht hätte, optimal nutzen zu können.
Wir gingen mit Ercan noch hoch zur Hauptstraße, der Talatpaşa Caddesi und aßen sehr leckere Lahmacun für 1,50 TL das Stück, Salat inklusive. Wir bedankten uns bei Ercan und gingen in die Wohnung zurück, wo wir Ismail, Taylans Onkel, kennenlernten, der momentan auch für 2 Wochen in Istanbul im Urlaub ist. Taylans Oma, der das Haus gehört, lebt schon viele Jahre in Deutschland und ist nur selten in Istanbul.
Taylans Onkel versicherte uns, daß er die Integrität des Otoparks von Tarik „checken“ lassen würde. Taylan erklärte mir, daß Tarik so etwas wie der Boss von Gültepe und Ismail ein sehr guter Freund von ihm sei.
Gültepe ist eines der Viertel Istanbuls, in dem für einen gewissen Zeitraum die Bebauung freigegeben wurde. Das heißt, wer sich damals ein Stück Land geschnappt hatte und schnell genug ein Haus darauf gebaut hatte, durfte Land und Haus behalten. Dementsprechend sehen viele Häuser hier aus, unseres ist eines der besseren. Taylan hat noch vor 10 Jahren hier Leute in Verschlägen, gemeinsam mit Hühnern und Ratten, wohnen sehen. Seitdem hat sich schon einiges getan, dennoch sind wir in einem sehr tourismusfreien Gebiet gelandet, was seine Vor- und Nachteile hat.