10. August 2010: Hafen Tanger-Med – Algeciras – Gibraltar – Madrid – Arcos de Jalón
Tagesetappe: 850 km
So rollten wir schwer mit den Schätzen des Orients beladen im Hafen ein. Es
war gegen 1.00 Uhr. Vor dem ersten Polizeiposten standen die üblichen Gesellen,
die einem die Kärtchen verkaufen wollen, die man bei der Polizei sowieso erhält.
Ich stelle mich gewohnt dumm und mache nur das, wozu ich aufgefordert werde. Da
erneut eine Sprachbarriere herrschte brauchte es ein wenig bis die Fiches mit
unseren Daten zur Ausreise ausgefüllt und mit den Reisepässen verglichen waren.
Dann erhielten wir den Stempel „Sortie“ in die Pässe und in den
Autoimmatrikulationszettel. Letzteres ließ einiges an Anspannung von mir
abfallen, denn nun war das Auto ausgereist und damit den Fängen des
Marokkanischen Zolls entgangen, der sich meldet, wenn man ohne das Auto, mit dem
man eingereist ist, das Land verlassen möchte. Auch der Zettel selbst ging auf
der Fahrt nicht verloren. Wer weiß, was das für ein Tamtam gegeben hätte ...
Ein paar Kurven durch das Hafengelände später standen wir am Zoll wo wir uns in
einer deutlich längeren Schlange einreihten. Es war schön zu sehen, wie
kontrolliert wird. Manche, vorwiegend marokkanischstämmige Familien werden nach
Paßkontrolle durchgewunken und die Busse und Wohnmobile von französischen und
spanischen Touristen genauer gecheckt. Drogenhunde waren nicht im Einsatz. Was
sollte die Marokkaner das auch interessieren?
Nach einer guten Stunde Warte- und Beobachtungszeit waren wir dran. Ich
verkündete die Devise: „Schweigen und kein Wort Französisch“. Damit fuhren wir
gut. Die Zöllner sahen den Kofferraum oberflächlich durch, kämpften sich aber
nicht mal bis zum Reservekanister geschweigedenn zur Reserveradmulde durch. In
den Innenraum wurde lediglich von außen kurz hineingeguckt, eventuelle Verstecke
nicht abgetastet. Der Motorraum wurde mit einer Auf-Zu-Einlage inspiziert.
Interesse weckte natürlich unsere Dachlast. Ein Zöllner war mit den Bongos
zugange, die Francis in Meski gekauft hatte und trommelte fröhlich vor sich her,
während ein ernsterer Zeitgenosse in Taylans verschlossenen Koffer gucken
wollte, der natürlich festgegurtet war. Als ich ihn los hatte und er nichts
fand, war alles gut. Die unverschlossenen Koffer sah er sich gar nicht erst an.
Also merken: Keine Schlösser dranbauen!
Wir wurden freundlich verabschiedet und kamen an den Fährsteg, wo sich die
anderen in das naheliegene Hafencafé setzen und ich auf dem Fahrersitz
einschlief.
Die Fähre kam erst um 6.00 Uhr morgens. Das Ticket wurde unter der Beifahrerfußmatte hervorgeholt und eingelöst. Alles check. Nun adé, Afrika! Es muß geschieden sein ... Doch ich werde zurückkommen!
Von Deck sahen wir, was passiert, wenn man mit dem falschen Auto nach Marokko
fährt. Ein wenige Jahre alter Mittelklassekombi wurde per Handkraft auf die
Fähre geschoben. Er hatte spanische Kennzeichen, offensichtlich eine technische
Panne und wurde direkt hinter der Klappe geparkt. Wenn man eine Panne hat, die
nicht gleich repariert werden kann, wird's eng. Gerade wenn man zu einem
bestimmten Zeitpunkt wieder zurück in der Heimat sein möchte und der Wagen, der
im Computer auf einen selbst eingetragen ist, nicht in gleicher
Geschwindigkeit mitziehen möchte. Stelle man sich vor, das wäre in Dakhla
passiert. Dann wäre ein Abschlepper bis nach Tanger nötig gewesen und man hätte
den Wagen in Algeciras parken müssen, bevor man mit dem Flieger nachhause
gekonnt hätte. Angeblich zahlt einem der ADAC bei vorhandener
Plus-Mitgliedschaft die Kosten, aber verlassen würde ich mich darauf nicht.
Die anderen ruhten sich auf den Sesseln aus und konnten sich gar nicht für den
Ausblick begeistern, während ich jede Minute der Überfahrt genoß.
Ich hockte wie ein kleines Kind vor der Scheibe und sah ständig auf das Meer und
beobachtete, wie der auf arabisch mit „Allah, al-Watan, al-Malik“ –
„Gott, Vaterland, König“ beschriftete Felsen östlich des
Hafens Tanger-Med immer kleiner wurde und der Felsen von Gibraltar immer näher
kam. Von den Säulen des Herakles umgeben stand ich nun auf dieser weltbekannten
Wasserstraße und wollte kaum daran denken, daß wir gleich wieder in Europa
ankamen. Schon die Toiletten auf dem Schiff überforderten mich leicht mit ihrer
relativen Luxuriösität.
Das Schiff dockte an und das Tor zur ersten Welt öffnete sich. Die spanische
Polizei verglich nur die Pässe mit den Insassen und delegierte uns an den Zoll
weiter, der 50 Meter entfernt war, und wo alle vorbei mußten. Was hatten wir
nicht schon für Horrorstorys gehört. Auto auseinanderbauen, Verwüstung durch
Drogenhunde und Verhaftungen bei Cannabis-Kleinstrestmengen. Nichts davon traf
zu. Es gab keine Drogenhunde und alles lief ganz friedlich ab, auch wenn der
Kommissar etwas grimmig und kurz angebunden war. Kurzer Blick ins Auto, keiner
mußte aussteigen außer mir, der daraufhin Kofferraum und Motorhaube öffnen
sollte. Dort warfen die Beamten jeweils 1-2 Blicke hinein und wir wurden in die
europäische „Freiheit“ entlassen. Wer hätte damit gerechnet? Wieder was für's
Leben gelernt, falls mich nun jemand fragt, wo das ganze Cannabis in Europa
herkommt.
Wie sollte man auch immer jeweils 200 Autos, die halbstündlich von den Fähren
herunterfahren, eingehend kontrollieren? Mehr als Stichprobenkontrolle bleibt da
nicht übrig und so gerät die gesamte europäische Drogenpolitik ins Zwielicht und
man fragt sich, was das Kasperletheater eigentlich soll?
Das Navi wurde auf Gibraltar eingestellt, um einen auf der Strecke liegenden Länderpunkt einzusammeln. Außerdem wollte ich schon immer einmal über die Startbahn eines Flughafens gefahren sein, wie es hier aufgrund mangelnden Platzes möglich ist. Der Flughafen teilt die Halbinsel dieses von Großbritannien annektierten und seit Jahrhunderten eisern verteidigten Landzipfels in zwei Hälften. Von dort fuhren wir direkt zum südlichsten Punkt Gibraltars, dem Europa Point, wo ein letzter Blick auf Afrika möglich war.
Warteschlange zur Einreise, nur kurze Paßkontrolle
man beachte das putzige Piktogramm für den Zoll
Startbahn Flughafen Gibraltar
Welcome to England!
Blick auf Algeciras
Straße von Gibraltar. Links Afrika, rechts und im Vordergrund Europa.
Leuchtturm „Gibraltar Trinity Lighthouse“ am Europa Point
Touristenscharen
Eine Moschee mit direktem Blick auf Marokko
Das allgegenwärtige Angebot von Fish and Chips schlugen wir aus und fuhren wieder zur Spanischen Grenze, nachdem sich Taylan einige Ansichtskarten gekauft hatte. Bei der Ausreise aus Gibraltar wurde neben der Paßkontrolle noch die Frage gestellt, ob wir was eingekauft und zu verzollen hätten. Hatten wir nicht, wir durften direkt weiter fahren. Ein schönes Gefühl, endlich mal wieder in einer richtigen Sprache mit der Autorität sprechen zu können, denn Amtssprache ist hier selbstverständlich Englisch und auch die Spanier hatten sich darauf eingestellt.
Das Navi wurde nach einem letzten Bad im Atlantik in Linea de la Conception auf Barcelona via Madrid eingestellt, denn Barca war unser nächstes Ziel, wo wir noch einen Abend verbringen wollten, bevor es in die Alpen gehen sollte. Wir fuhren in die milde Nacht hinein und stellten uns auf einem LKW-Parkplatz neben einer Gaststätte zur Nacht ab (41°13'4.44"N, 2°17'22.92"W). Wir waren noch knapp 460 km von Barcelona entfernt und hatten keine Maut bezahlen müssen.