1. August 2010: Boujdour – Dakhla

Tagesetappe: 420 km

Je weiter südlich man kam, desto heftiger wurde der Wind, der vom Meer auf das Land blies. Da die Straße oft nahe an der Küste entlang führt, bekommt man diesen dann auch voll ab. Zum Glück war der Verkehr in dieser Nacht ein sehr geringer. Als wir einmal fernab jeglicher Lichtquellen waren, fuhr ich von der Straße, hielt an, stellte den Motor ab und genoß einfach nur für ein paar Minuten diese unglaubliche Stille und den Sternenhimmel. Simon and Garfunkel begleiteten unsere weitere Reise durch die Nacht. Ein unglaubliches Gefühl der Freiheit machte sich breit, mein Endorphinpegel war am Anschlag.

Gegen 4 Uhr erreichten wir Boujdour, wo ein Werbeschild zum „Camping Bungalow Sahara Lin“ einlud. Der Platzwart empfing uns trotz Schlaftrunkenheit im Anzug in seinem fürstlichen Büro und verschob alle Formalitäten auf den kommenden Morgen. Wir sollten uns einen Platz aussuchen, was mangels anderer Besucher nicht schwer fiel. Der Platz war angenehm sauber. Einziges Problem war das Aufstellen des Zelts, da die Winde nicht weniger werden wollten. Nach einer ungefähren dreiviertel Stunde stand es eher schlecht als recht, doch Schlafen war darin nun möglich. Ich verzog mich völlig eingesandet auf die Rückbank.

Strand Boujdour

Blick auf Boujdour

Campingplatz

Gepäckverzurren bei 100 km/h Windgeschwindigkeit

Gegen Mittag erwachten wir und führten die Morgenhygiene durch. Gegen die Sanitäranlagen war wirklich nichts einzuwendenn, außer daß Duschen und Zähneputzen mit Salzwasser durchaus eine interessante Erfahrung darstellten. Immerhin war alles sauber. Die Nacht auf dem Platz kostete 130 MAD. Unsere Daten wurden aufgrund der omnipräsenten Faulheit dann am Ende doch nicht aufgenommen. Weiter in Richtung Dakhla (Distanz 350 km).

Dieses Kamel hielt ich zunächst für eine Statue, bis ich merkte, daß es mitten auf der Straße stand. Wir hielten an und machten Photos ...

... und ein Video:

Ein Nomade trat hinzu und füllte den Raum mit seinem Schweigen (Auf dem Bild rechts). Eine unheimliche und doch intensive Begegnung. Wie mag dieser Mensch wohl leben, hier mitten im Nirgendwo? Wir schenkten ihm den Rest aus unserer Kadoh-Tüte.

Wir trafen an dieser Tankstelle eine Gruppe von Spaniern, die ihre Wagen im Senegal verkaufen wollten. Wir tauschten uns mit ihnen über die Campingplätze in Dakhla aus und fuhren anschließend nach dem Tanken im losen Konvoi. Der Wind drehte nach Süden und gab mir Rückenwind, worauf ich die 60 PS entfesselte und Vollgas fuhr. Ich überholte die Spanier kurz darauf allesamt und fuhr ihnen davon. Kurz nachdem Taylan prophetisch fragte, ob das eine gute Idee sei, so schnell zu fahren, traten zwei Polizisten aus einem am Straßenrand in entgegengesetzte Richtung geparkten silberenen Golf hervor und hielten mich an. Ich hielt sie zunächst für Ganoven und schoß an ihnen vorbei, bevor ich die Vollbremsung einleitete.

Einer der Polizisten kam an mein Fenster gerannt und hielt mir die Laserpistole entgegen, auf der in Digitalschrift 111 km/h geschrieben stand. Nun folgte die dreisteste Aktion der gesamten Reise, nämlich folgender Dialog:

Polizist: „Bonjour, parle-vous Francais?“
Ich: „Nein!“ (auf Deutsch)
Polizist: „English?“
Ich: „Nein!" (dito)
Polizist: „English, neither?!“ (in wirklich guter Aussprache)

Daraufhin zog ich das dümmste mir zur Verfügung stehende Gesicht auf und starrte in der Gegend herum. Dem Polizisten wurde es nach einer Minute zu bunt, er fuhr mich an: „ARGH ... YOU WERE TOO FAST, DRIVE SLOWLY!“ und gab uns eine winkende Handbewegung, weiterzufahren. Ich legte den Gang ein und gab Gas. Als die beiden außer Sichtweite war, trat an Bord ausgelassene Fröhlichkeit ein. Wir hätten vorher nie gedacht, daß dieser Trick, von dem man schon viel gehört hat, tatsächlich so einfach durchzuziehen ist. 400 Dirham gespart.

50 bis 100 Kilometer vor Dakhla bat mich Taylan, doch einmal von der Straße zur Küste abgefahren. Gesagt, getan. Ich wartete eine flache Stelle ab, an der ich gefahrlos den Sand neben der Straße Richtung Küste befahren konnte und parkte den Daimler auf einem Felsvorsprung. Ziemlich dumm, wie ich später erfuhr, denn diese Vorsprünge brechen nach gewisser Zeit ab und haben schon den ein oder anderen Touristen mit in den Atlantik genommen. Aber wir waren an diesem Tag von dieser Landschaft einfach zu sehr überwältigt, um auf unseren Überlebensinstinkt zu hören.

Am Checkpoint direkt am Dakhlaer Ortseingang wurden erstmals unsere Personalien in der Militärstation auf Papier abgeschrieben. Anschließend durften wir in den Ort weiterfahren. Aufgrund des großen Hungers fuhren wir noch nicht zum Campingplatz, sondern erst mal bis in die Stadtmitte und hielten am Restaurant „Bahia“ an. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ein Kellner, der jedoch weder Englisch noch Französisch verstehen wollte. Ein älterer großer dürrer Marokkaner mit langem braunen Mantel kam vorbei und übersetzte. Wir bestellten Tajine und Spaghetti. Die Getränke kamen recht fix, das Essen jedoch nicht. Nach knapp einer Stunde, wir waren schon ziemlich entnervt, ging ich in das Lokal und wollte nachfragen, wie es denn um unsere Speisen stehe. Man machte eine abwinkende Handbewegung und sprach nicht. Ebenfalls vor dem Tresen stand ein Franzose, mit dem ich mich austauschte. Auch er wartete schon seit über eine Stunde auf das Essen. Er war der erste Franzose, den ich in meinem Leben traf, der gutes Englisch sprach.

Eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang kam das Essen. Hatte man etwa schon präventiv die Regeln des Ramadans angewendet und auf den Sonnenuntergang gewartet? Das Essen war jedenfalls eine herbe Enttäuschung. Taylans Spaghetti Napoli wurde als Bolognese ausgeliefert, die nachbestellte Portion Napoli bezeichnete er als „die schlimmsten Spagettis, die ihm jemals vorgesetzt wurden“ und die Tajines waren lieblos mit reinem gebratenen Hackfleisch und Soße gefüllt. Ein wirklich stressiger Restaurantbesuch, aber c'est l'Afrique. Bitte nicht nach dem Sinn fragen.

Wir zogen weiter, über den Wochenmarkt, der hier gerade stattfand, bei dem sich aber nichts für uns fand. An der Bank füllten wir unsere Bargeldbestände auf und machten uns anschließend auf, den Campingplatz anzusteuern. Direkt am Ortseingang fand sich der Camping „Moussafir“, der zwar nicht von Florian empfohlen wurde, wir uns aber dennoch einmal ansehen wollten. Indiskutable Zustände auf der Campingfläche und den Duschen/Klos zwangen uns aber zum Rückzug. Auf der GPS-Position, die mir Florian für den Campingplatz „Surf Extreme et Peche“ gab, fand sich nur eine Militärbasis und ein kleiner Wald. Von den Soldaten kannten diejenigen, die wenigstens mit dem Begriff Campingplatz etwas anfangen konnten, keiner den „Surf Extreme Peche“. Wir wurden auf den Campingplatz 25 km außerhalb verwiesen (23°54'2.5"N, 15°47'13.6"W). Dieser stellte sich aber als reiner Wohnmobilabstellplatz dar. Einige Marokkaner strömten aus dem dort aufgebauten Nomadenzelt heraus und stellten sich als Platzverwalter vor. Ein Verwalter sprach Holländisch und klärte die Angelegenheit daher mit mir. Der Platz sei kostenlos und habe sogar ein Klo, den Schlüssel bekämen wir bei ihnen. Wir könnten uns mit dem Zelt auf den Strand stellen. Sei's drum. Morgen wollten wir weiter nach dem „Surf Extreme et Peche“ suchen. Das Zeltaufbauen dauerte wieder über Gebühr, wie gestern in Boujdour. Im Scheinwerferlicht des laufenden Daimlers brauchten wir fast eine Stunde und waren mehrmals kurz davor, entkräftet aufzugeben. Der Wind raubte uns die Nerven. Doch am Ende hatten wir es geschafft. Ich ging zum Schlafen wieder ins Auto. Gute Nacht.

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