28. Juli 2010: Marrakech – Tizi-n-Test – Agadir

Tagesetappe: 400 km

Morgens hörte ich Deutsche Stimmen. Es waren nicht die Viersener mit ihrem blauen VW-Bus, die schon seit vorgestern neben uns standen aber nie zu sehen waren, sondern zwei junge Kerle aus Erding, die ich erst mal mit einem kräftigen „Servus!“ begrüße. Sie freuen sich über uns und wir tauschen unsere Geschichten aus. Sie waren mit Motorrädern unterwegs, aber eines hatte gerade einen Kupplungsschaden und stand in der Werkstatt. Sie waren mit den Rädern über den Hohen Atlas gefahren und haben dort Selbstverpflegung betrieben. Ihr Reiseziel war Tan-Tan. Dort wollten sie sich vor den Kamelen photographieren und dann wieder heimfahren.

Wir tauschten noch Campingplatztipps aus. Sie hatten den Führer von Edith Kohlbach dabei, aus dem ich mir einige Koordinaten für die Weiterreise abschrieb. Das war von Vorteil. Wir verabschiedeten einander, denn für uns sollte es heute weiter gehen.

Aufbruch am frühen Nachmittag. Erst mal in Richtung Süden. Wir mußten ein Schild in Richtung Asni finden, von dort aus ging es über den Tizi-n-Test, einen schmalen Paß im Hohen Atlas, über die Südroute nach Agadir. Autobahn kann ja jeder.

Der Marjane lag auf dem Weg (31°40'4"N, 8°0'48"W), dort stockten wir daher erst mal die Vorräte auf. Im Gebäude fand sich ein McDonalds, der konsultiert wurde. Aber auch nur, um einmal in Marokko bei McD gegessen zu haben. Der McArabia war sehr lecker aber auch teurer als ein vergleichbarer Burger in Deutschland. Der Drang nach Internationalem treibt den Marokkaner wohl hier her. McD ist hier sehr beliebt, man gönnt es sich wie der Deutsche den Besuch in einem guten Restaurant.

Ich kaufte außerdem noch Motoröl, da noch während der Reise ein -wechsel stattfinden mußte. Der Weg nach Asni oder zum Tizi-n-Test war natürlich nicht ausgeschildert. Wir geisterten im Süden Marrakechs hin und her und fanden keine Ausfallstraße, die in die gewünschte Richtung führte.

Irgendwann hatte ich mich dann so verfahren und war dermaßen in Rage, daß ich mich in irgendeinem Neubaugebiet befand und etwas befuhr, das wie eine Müllkippe aussah. Lauter kleine Hügelchen. Eine Straße war das nicht, nichtmal eine Piste. Allen Unkenrufen der Mitfahrer zum Trotz fuhr ich hier entlang und hoffte auf die richtige Straße zu kommen. Die richtige Himmelsrichtung war’s ja zumindest schon.

Doch der Auspuff war anderer Meinung und verabschiedete sich mit lautem Getöse aus seiner Verankerung. Es schepperte und brüllte vom Unterboden. Klasse. Nun mußte eine Werkstatt gefunden werden. Ich fuhr zur Hauptstraße zurück, bog zwei mal rechts ab und sah ein Werkstattsurrogat (31°34'32"N, 7°58'56"W) . Es war zwar eher eine Schreinerei als eine Autowerkstatt, doch ein Schweißgerät hatte man und nahm sich daher dem Problem an.

Die Sonne brannte unerbittlich und wir fanden keinen Schatten. Immerhin brachte man uns Zeitungspapier. Alter Marokkanertrick, wohl. Zeitung zwischen Asphalt und Hinterteil mildert die Hitze ein wenig ab.

150 MAD löhnte ich für die Reparatur und das Schweißen, der Meister fuhr noch eine Runde alleine mit dem Auto ums Rondell, alles war wieder gut. Wir fuhren ein Stück zurück in Richtung Innenstadt und bogen links ab. Auf einmal stimmte die Straßennummer auf den Kilometersteinen mit der geforderten überein. Straße R203 führte zum Glück und über Tahanaoute und Asni zum Test.

Die Straße nahm uns hoch ins Gebirge. Knapp 50 Kilometer nach der Reparatur vor Marrakech fiel die Motortemperatur auf 70 Grad ab, ohne daß der Wagen anders fuhr. Während ich schon überlegte, wo man denn ein neues Thermostat für den Wagen herbekommen könnte fing das Radio an, zu spinnen und immer wieder auszufallen, bis es dann gar keinen Mucks mehr machte. Radio kaputt? Hä? Ich mußte in einer Kurve hupen, doch die Hupe schwieg. Scheiße, Lichtmaschine! Jetzt nur nicht abwürgen …

Ich instruierte die anderen und hielt in einer Bucht kurz an. Der Keilriemen war noch da, dafür war das LiMa-Kabel, das den Strom transportierte, abgefault. Das war im April schon einmal passiert, damals hatte ich das beim Jugo wieder hinpfuschen lassen, aber wer billig kauft, kauft zweimal. Wir fuhren weiter und ich fragte mit Händen und Füßen im nächsten Ort drei Rentner auf einer Parkbank, ob zwischen hier und der Paßhöhe noch ein „Mechanico“ kommen würde. Sie verneinten. Wir fuhren zurück zur nächsten größeren Ortschaft und hielten dort an der Afriquia (30°59'39"N, 8°10'55"W). Dort fand sich eine Traube Hobbymechaniker, einer brachte einen neuwertigen LiMa-Regler und baute ihn ohne meine Zustimmung ein. Der andere pfuschte die Verbindung wieder zurecht – diese Konstruktion sollte länger halten als die vom Jugo. Glückwunsch! 130 Dirham weg, aber das Auto lief wieder und die LiMa sendete Strom an die eben noch leere Batterie. Die Motortemperatur stieg ebenfalls wieder auf die gewohnten 80-90 Grad, auch wenn ich mir das nicht erklären konnte. Weiter ging’s …

Keine sechs Kilometer später meinte dann auch der Hauptkraftstoffilter, dicht gehen zu müssen. Er war zwar schnell gewechselt, doch mußte wieder der halbe Kofferraum verwüstet werden, um an das Werkzeug und den frischen Filter zu kommen.

Diese Pannentour trübte die Stimmung für diesen Tag vollends. Wir hatten über 4 Stunden für nicht mal 100 Kilometer gebraucht. Obwohl wir eigentlich noch die einzige marokkanische Moschee, die für Nichtmuslime geöffnet war, besichtigen wollten, fuhren wir nun daran vorbei. Es lag eine stumpfe explosive Mischung in der Luft an Bord, die jederzeit hätte hochgehen können. Bis Agadir schwiegen wir uns weitgehend an.

Hinauf zur Paßhöhe wurde die Straße nochmals schmäler und staubiger. Sie führte noch etwas an einem Fluß entlang durch das Tal, um dann spontan steil anzusteigen. Es gab kaum Verkehr. Die Paßhöhe liegt auf 2100 m Höhe. Dort begrüßte uns ein fast gleichaltriger und hieß uns willkommen. Er hatte einen kleinen Laden, zwang uns aber nichts auf. Einen Tizi-n-Test-Aufkleber gab’s leider nicht. Sein Angebot, bei ihm zu übernachten schlugen wir aus, wir wollten noch bis Agadir kommen, auch wenn die Sonne schon fast untergegangen war.

Blick zurück in Richtung Marrakech

In Richtung Agadir

Am Südhang des Passes wurde die Straße dann fast konsequent einspurig, es gab nur noch gelegentlich Ausweichstellen. Das macht die Strecke anspruchsvoll, aber die Panik, die manche Reiseführer verbreiten, war fehl am Platz, wenn der Fahrer sich des gesunden Menschenverstands bedienen kann und dementsprechend fährt. Man muß halt hin und wieder den Rechtsverkehr Rechtsverkehr sein lassen und sich der Realität anpassen und dann eben links anhalten, wenn ein 30-Tonner entgegenkommt. Desweiteren ggf. großzügiger mit der Hupe umgehen und hier und da aneinander vorbeiquetschen, dann geht das.

Das Panorama war großartig. An einer breiteren Stelle hielten wir an und schossen Photos, solange noch Licht da war.

Der Tizi-n-Test läuft großzügig in das Flachland aus, wo man dann auf die Hauptstraße N10 trifft, die wir in Richtung Agadir betraten. Ereignislose Nachtfahrt bis zum Flughafen Agadir, wo wir vor das Terminal fuhren und einen grandiosen Blick über ein 123er-Meer hatten. Das waren wohl die Flughafentaxis, die hier auch nachts parken und tatendurstig auf den morgigen Tag warteten während ihre Fahrer zuhause schlummerten. Taylan wollte sein Stativ aufbauen um die Autos zu photographieren, da kam ein ein nutzloser Polizist vom Flughafeneingang herbeigelaufen um uns Hobbyterroristen von dieser Tat abzuhalten. „No photography, get to Agadir, get permission!“ – Nein Danke, aber schönen Tag noch, Du Penner!

Ich hatte mir für Agadir die Koordinaten notiert, „Paradis Nomade“ hieß der Platz (30°28'32"N, 9°27'56"W) und sträubte sich redlich, gefunden zu werden. Wir fuhren die Äußere Ringstraße Agadirs drei Stunden lang hoch und runter, konnten aber keine passende Einfahrt finden. Immer wieder wähnte ich mich richtig, fand uns dann aber in irgendeinem Ghetto oder Hotelviertel wieder. Schließlich, als wir eine verlassene staubige Straße hinter dem Metro befuhren, sah Taylan ein mikroskopisch kleines Schild, das vom „Paradis Nomade“ kündigte. Halleluja! Man fuhr 10 Kilometer ins Landesinnere, wo sich wie in Marrakech eine Oase auftat.

Es war vier Uhr morgens und keiner war mehr wach. Wir klingelten die Besitzerin aus dem Schlaf, die ihren Garcon vorschickte. Man war sichtlich enttäuscht, daß wir kein sündhaft teures Nomadenzelt mieten wollten und man wegen ein paar Low-Budget-Touristen des Nachts aufgestanden war. Das Einfahrtstor wurde geöffnet, wir sollten uns einfach irgendwo hinstellen, alles andere würde morgen geklärt werden. Gute Nacht!

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