27. Juli 2010: jour de repos – Stadtbesichtigung Marrakech
Gegen Mittag erkundigte ich mich, wo man denn hier auf dem Platz einmal in’s Internet gehen könnte. Im Restaurant müsste man ein Getränk verzehren, dann dürfte man den Internetrechner benutzen. Fein! Ich bestellte einen The du Menthe und wartete, bis das Mädchen vor mir fertig war. Ich setzte Meldungen in die Heimat ab und gab die Kunde an die anderen weiter, die auch kurz ins Internet gingen. Hier las ich die erste Nachricht aus Deutschland seit zwei Wochen: Massenpanik und Tote auf der Loveparade in Duisburg.
Vor der Rezeption stand von Zeit zu Zeit dasselbe 126er Taxi. Man konnte sich bei der Platzwärtin eine Fahrt in die Innenstadt reservieren, das tat ich sogleich. Unser Daimler sollte hier bleiben.
Am frühen Nachmittag fuhren wir dann standesgemäß in der S-Klasse in die Innenstadt und ließen uns in die Nähe des großen Marktplatzes führen. Die Rezeptionistin sagte, die Fahrt würde 80 Dirham kosten, doch der Fahrer wollte am Ende nur 60 haben. Für diese Großzügigkeit und die angenehme Fahrt zeigten wir uns mit Trinkgeld erkenntlich.
Wir liefen über den Djemaa el Fna (w) und wurden von einigen Schlangenbeschwörern abgepaßt. Sie ließen sich nicht davon beirren, daß wir keine Lust auf Ihre Schlangen hatten und legten die Viecher einfach ungefragt um unsere Hälse. Die Gelegenheit nutzend machten wir dann doch einige Bilder von dieser Situation. Daß es nicht umsonst gewesen sein soll, war klar, doch als ich ein paar Münzen als Entschädigung anbot, blickte mich der eine jüngere an, als hätte ich seine Mutter beleidigt. Er forderte „paper money“, „threehundert Dirhämm“ und ich empfahl mich daraufhin. Er bewarf mich mit Flüchen und stampfte mir wutschnaubend hinterher. Doch zuzuschlagen traute er sich nicht. Dafür sorgten laut „National Geographic“-Führer groß angelegte Zivilstreifen, die die Touristen vor Gewalt schützen sollen. Danke dafür.
Koutoubia-Moschee (w)
Mainzer parkt auf dem Fna
Links der teilzeitaggressive Penner, der mir Schläge androhte
Terassencafés
Wir zogen weiter in die Medina, in die überdachten, sonnengeschützten Händlergassen, wo es so gut wie alles zu kaufen gab. Ich legte mir eine 2 Meter lange Marokkofahne und ein Taxischild fürs Auto zu. Handeln muß man hier können. Waren werden mit einem mindestens zehnfach überhöhten Startpreis angeboten. Wenn der Händler nur einmal am Tag einem dummen Touri etwas zum Startpreis verkauft kann er für den Rest des Tages zu machen, doch mit uns hatten sie kein Glück.
Manchmal freuten sie sich über das Handeln, manchmal wurden sie leicht kauzig, und schickten uns weiter, in der Hoffnung, daß bald ein spendierfreudigerer Tourist vorbeikommen würde. Katha kaufte einen Strohhut, den sie in einer Viertelstunde von 250 auf 40 Dirham herunterhandelte, der Verkäufer beglückwünschte sie ob ihres Geschicks.
Die Medina Marrakechs überraschte uns äußerst positiv mit ihrem Treiben, dem Angebot und Gerüchen. Man könnte noch seitenweise die Eindrücke weitergeben, doch finde ich, daß man es selbst erlebt haben muß. Es strömt dort zu viel auf einen ein, damit man es treffend wiedergeben kann. Zur weiteren Lektüre empfehle ich das Buch „Die Stimmen von Marrakesch“ von Elias Canetti. Treffender kann man diesen Ort kaum beschreiben. Obwohl das Buch aus den 1950ern stammt, hat es von seiner Aktualität kaum verloren. Marrakech erscheint zeitlos.
Das Taxischild links unten fand nach dem Urlaub einige Monate
Platz am Daimler,
bis es dann irgendwo zwischen Wiesbaden und Schleiz abfiel
Nach Beendigung des Bummels erreichten wir wieder den Marktplatz und liefen hoch in eines der unzähligen Treppenrestaurants direkt am Fna. Wir aßen und tranken eine Kleinigkeit, völlig unnötig, wie sich später herausstellt. Dafür hatten wir aber einen wunderschönen Blick über die Dächer der Stadt mit ihrem Satellitenschüsselmeer, bis zu den Gipfeln des Atlas, und natürlich über den Platz. An den omnipräsenten Orangenständen gönnten wir uns für je drei Dirham einen Orangensaft nach dem anderen. Sehr lecker!
Wo ein Markt ist, ist auch ein passendes Angebot
Einen kleinen Rundgang durch die angrenzenden Parks rund um die Koutoubia-Moschee später war die Sonne dem Horizont schon sehr nahe und damit der Startschuß gegeben für den Nachtmarkt, von dem man schon so viel gehört hatte. Schon von weitem hört man das laute Treiben, das einen sofort erfaßt.
Vor Ort zeigen sich die unzähligen Essensstände. Hier kann man sich für 5 Dirham pro Speise den Wanst vollschlagen, es gibt so gut wie alles. Fisch, Fleisch, Pommes frites, Salat, Auberginen. Man kann sich alles frisch zusammenstellen und zubereiten lassen. Außerdem gibt es Teestände, die einen richtig schönen scharfen Gewürztee anbieten, auch dieser wurde gekostet und für sehr lecker befunden.
Auf dem Marktplatz holte ich mir bei einem englischsprachigem Friseur noch für 50 Dirham einen frischen Haarschnitt ab – war überfällig. Taylan überraschte mich anschließend mit einem Poster, daß er während des Friseurbesuchs ergatterte: ein Portrait des Königs Mohammed VI., perfekt um es für die heimische Wohnung einzurahmen.
„Deutschland viel gutt!“
Wir liefen später wieder in Richtung der Moschee und beachteten an der Hauptstraße das erheiternde Verkehrschaos, das zwei Polizisten zu versuchen regelten – natürlich vergebens. Wahrscheinlich stehen sie schon seit Jahrzehnten jeden Abend mit zwei Polizisten an dieser Stelle und merken nicht, daß niemand auf sie pfeift und man sie auch einfach weglassen könnte.
Gegen Mitternacht machten wir uns dann auf Taxisuche. Viele Fahrer konnten trotz der unzähligen Touristen nicht in einer internationalen Sprache kommunizieren. Die Petit Taxis wollten keine vier Personen auf einmal befördern und die 123er-Fahrer mit englischen Sprachfähigkeiten verlangten bis zu unserem Platz oft 150 Dirham oder mehr. Schlußendlich konnten wir dann einen 123er finden, der uns chauffierte. 100 Dirham nahm er bis zum Campingplatz, den er sogar im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen kannte. Der gelbe 240D hatte 790.000 km auf dem defekten Tacho. Alle Sitzflächen waren schwarz mit Kunstleder bezogen und höhergelegt, man stieß bei Unebenheiten mit dem Kopf an die Decke. Es ist unglaublich, was die Marokkaner aus diesen Autos machen.