24. Juli 2010 Errachidia („Source bleu de Meski“) – Erg Chebbi – Tinerhir

Tagesetappe: 370 km

Schlaf war für mich Mangelware. Nicht nur wegen der nicht abnehmen wollenden Hitze und Luftfeuchte, sondern auch wegen einer räudigen mageren Katze die sich immer wieder zu mir gesellte und mich aufweckte. Ich schlief zwischen dem Daimler und einer Palme, auch die anderen hielten es im Zelt nicht aus. Gegen 7 Uhr gab ich die weiteren Einschlafversuche auf und schaute mich auf dem Campingplatz um. Der Pool war recht sauber, da er von dem durch den Platz strömenden Fluß gespeist wird. So kühlte ich mich dort erst einmal ab. Ein Platzwart kam mit mir ins Gespräch als ich mit meinen Duschsachen in den jetzt noch relativ sauberen Sanitärbereich gehen wollte. Er hatte den Schlüssel für die Europatoiletten dabei und gab ihn mir. Also kehrt gemacht und auf zu den besseren Duschen.

Auch der Säufer von gestern abend war wieder wach, paßte mich ab und lud mich kurzerhand zu einem Tee ein. Seine Frau sah eher europäisch als afrikanisch aus und er erzählte mir, daß sie mal einige Jahre in Deutschland gelebt hätte. Aber Deutsch sprach sie nicht. Auch seine drei kleinen Kinder kullerten in der Ecke, die sie sich eingerichtet hatten, herum und sahen mich mit ihren großen Augen ziemlich ungläubig an. Der Säufer hatte sich mit seiner Frau hier häuslich eingerichtet und wohnte wohl mit seiner Frau und den Kindern zumindest im Sommer im Zelt wie es schien. Er erzählte, er hätte ein Büro in Errachidia und müßte später dort hin.

Ich weckte die anderen mit der frohen Botschaft und ließ ihnen den Vortritt beim Duschen. Nacheinander gingen sie in das Gebäude. Als Taylan duschte hörte auf einmal das Wasser auf zu fließen. Die Zuständigen erklärten, das Problem könne nicht gelöst werden, da wohl der Wassertank leer sei und man ihn momentan nicht füllen könnte, oder vielleicht auch eher nicht füllen wollte. Scheiße! Ich mußte also nun doch die „afrikanische“ Dusche benutzen, bei der ich froh war, daß dort zumindest keine Tiere hausten – das hätte bei deren Anblick gerade noch gefehlt.

Toufik kam wie verabredet vorbei und fuhr mit mir los, zum „best mechanic in town“. Den Säufer nahmen wir mit zu seinem Büro und verabredeten uns für nach dem Werkstattbesuch. Toufik erklärte dem Werkstatt„meister“ das Anliegen, selbiger nannte seinen Preis und legte los, indem er seine zwei 8- bis 10-jährigen Buben anschickte, den Wagen hinten hochzubocken und zu sichern. Auch die Räder wurden von den beiden abmontiert. Die Gelegenheit nutzte ich dazu, den nun fertigen Reifen hinten backbord auszutauschen. Bei ihm schaute schon der Stahldraht auf der abgefahrenen Innenseite heraus, es war der Reifen der in Tarifa von vorne nach hinten versetzt wurde.

Der Meister stellte die Handbremse sein, anschließend bat ich noch darum, die Bremsscheibe, die Radnabe und die Beläge vor dem Zusammenbau gut zu säubern. Bremsenreiniger war bekanntermaßen keiner vorhanden, jedoch wußte man eine marokkanische Lösung: Die beiden Buben wuschen die Teile mit Benzin, das bei 44 °C elegant auf der Straße versickerte und verdampfte. Zur Hölle mit Brandschutz!

Wir holten den Säufer wieder im Büro ab. Er hatte ein Schreibbüro, in dem Leute standesamtliche Dokumente und ähnliches schreiben lassen können. Ähnlich wie beim Notar in Deutschland. Er hatte auch einen Rechner, den er mir erlaubte zu benutzen, doch klappte das Einloggen ins Internet nicht so recht. Die eine Stunde Arbeit reichte ihm wohl für den Tag. Er schloß das Büro ab und wir gingen zum Wagen. Ich sagte, wir bräuchten noch Brot für die Weiterfahrt. Er zog mich von der Straße, auf der ein paar Jugendliche gerade Teile einer Ziege mit Haut und Haaren grillten, was bestialisch stank, durch ein offenes Tor direkt in eine Bäckerei. Hier konnte ich für 1 Dirham das Stück frisch gebackene Brotlaibe kaufen.

Auf dem Weg zum Campingplatz hielten wir noch an einem Kiosk, aus dem er mit einer braunen Papptüte wieder herauskam. Den Inhalt schenkte er uns später zum Abschied – zwei Flaschen des zweifelhaften Anisschnapses. So läuft das hier also. Der Säufer fragte mich während der Fahrt, ob das Deutsche Musik sei, die gerade aus den Boxen schallte. Es spielte gerade ein Lied von Metallica ...



Ein paar Berberkinder machten mit den anderen Musik während ich in der Werkstatt war


Campingplatz „Source bleu de Meski“

Francis verlor während meiner Abwesenheit den Schlüssel für die Europaduschen, wie auch immer er das geschafft hat. Diese Situation mußte er jetzt persönlich mit dem Platzbesitzer klären, der zunächst einen kleinen Aufstand veranstaltete. Er mußte 50 Dirham für das Schleifen eines neuen Schlüssels bezahlen.

Währenddessen schnallte ich das Gepäck auf den Träger. Es war so heiß, daß mir die Metallstangen die Beinhaare ansengten. Der Schweiß tropfte. Mittlerweile waren schätzungsweise 20 Berberkinder am Auto versammelt, die Geschenke haben wollten und ständig, wie Toufik Tags zuvor, Kamele aus den herumliegenden Palmenblättern flechteten. Wir wiesen ihr Anliegen zurück, doch sie wichen nicht vom Platz. Toufik bat bei Abfahrt um eine kleine Entlohnung für seine Dienste, er fragte, ob wir Euros für ihn hätten. Ja sicher doch, ich schüttete ihm den Aschenbecher des Daimlers in seine Hände aus, dort hatte ich in den letzten Monaten mehrere Euro an Münzgeld gesammelt. Das reichte ihm nicht, doch seine Forderung nach mehr Geld überhörte ich geflissentlich. Er akzeptierte das wohl, doch bat noch um eine Flasche Wein, „für Papa“. Soviel dann auch zum Ramadan. Das frechste und dickste der kleinen mittlerweile sehr aufdringlich gewordenden Berberkinder schubste ich mit der Stoßstange weg, dann fuhren wir zur Ausfahrt des Campingplatzes und zahlten unsere 60 Dirham für die Übernachtung. Beslama!

Nächstes Ziel war Merzouga, direkt bei den Dünen von Erg Chebbi. Ereignislose Fahrt dorthin. An einer Gabelung fuhr ich falsch ab und folgte einem Schild mit der Aufschrift „route touristique“. Sie führte über einen Rundkurs mit geschotterten Straßen durch verlassene Ksar-Dörfer. Kein Verkehr, kaum Menschen. Unheimliche Stimmung machte sich breit. Zurück an der Hauptstraße sind wir dann weiter in die richtige Richtung gefahren.



„route touristique“


Es gibt keinen Gott außer Allah und sein Prophet steht vor der Moschee – ein 123er


Die Landschaft wurde immer karger, schließlich waren am Horizont die roten Sandhaufen zu sehen. An der letzten Kreuzung vor Merzouga hielten wir um einen Blick in die Karte zu werfen. Ein Heimischer hielt neben uns und quatschte uns voll. Er erzählte von einer schauerlichen Piste zu den Dünen, die wir ohne seine Hilfe nicht bestreiten könnten. Er würde uns für einen „small price“ einen „little boy“ zur Verfügung stellen, der uns lotsen würde. Sonst ist aber alles klar? Wir fuhren weiter und erreichten Merzouga nach einem Photostopp in der Gesteinswüste bei 50 °C plus x – höhere Werte zeigt das Thermometer aus Geiranger nicht an.


eines von den vielen Kindern in Meski hatte den Stern umgeschubst



Naturschauspiel for free, extra für uns



Die Dünen am Horizont



50 °C, alles brennt am Körper, die Schuhsohlen werden weich



Schwarze Wüste


Endlich wieder in angestammter Umgebung: Der Dünomat vor den Dünen


Wenn man geradeaus durch den Ort fährt erreicht man eine kurze ungefährliche Steinpiste, hinter der ein kleiner Turm zu sehen ist. Dort steht man direkt an den Sanddünen. Ein paar Fakeberber stehen herum und warten auf Leute, die von hier mit einem ihrer Kamele in die Dünen reiten wollten. Wir wollten nicht. Das einzige wirkliche Kamel bei uns, nämlich ich, saß am Steuer des Wagens und mußte nun unbedingt damit anfangen, mit einem 200D im Sand zu spielen. Natürlich ging das nach einigen Momenten schief und da standen wir. Die Berber kamen mit Schippen angerannt und schaufelten und schoben den Daimler heraus. Wahrscheinlich war das der zweite Betriebszweck ihrer Unternehmung, denn anschließend verlangten sie brav ihre Dirhams. Ich kramte mein loses Kleingeld aus der Tasche und bedankte mich.











Wenige Meter weiter finden sich ein paar Stoffzelte, in denen Einheimische und Touristen sitzen. Vorwiegend französische Kennzeichen parken davor. Wir wurden herbeigewunken und auf einen Tee zwangseingeladen. Wir unterhielten uns so gut es ging mit den anderen Einheimischen und Touristen, Francis holte seine Gitarre und spielte ein wenig. Der Tee war natürlich nicht umsonst, aber das ist hier am Rande der Wüste keinem zu verübeln. Die machen das ja auch nicht alles aus Nächstenliebe. Der Schweiß tropfte wie beim Saunabesuch.






In Erfoud tankten wir noch einmal voll (km 327.832) und nahmen die Querverbindung R702 über Tinejdad nach Tinerhir. Die Landschaft bleibt hier staubig-karg. Während der Durchfahrt eines der unzähligen halb oder ganz verlassenen Dörfern auf dieser Strecke ging die Sonne unter. Hier merkte ich, wie hilfreich die weißen reflektierenden Straßenbegrenzer in Europa bei der Nachtfahrt doch sein können. Hier verlangte es deutlich mehr Können ab, gerade bei blendendem Gegenverkehr und sandverschwommenen Straßenrändern.



Am westlichen Ortsrand Tinerhirs fanden wir Camping Ourti, natürlich nicht ohne auch hier erst mal daran vorbeizufahren und noch einmal umkehren zu müssen. Zwei Platzwärte saßen auf der Veranda und empfingen uns, auch wenn es schon gegen Mitternacht war. Sie zeigten uns die Campingfläche, wir waren die einzigen Gäste. Duschen und WCs waren angenehm sauber. Die Formalitäten wurden auf den nächsten Tag verschoben. Ein Cousin des Besitzers sollte angeblich ganz gut Deutsch sprechen und würde weiteres mit uns morgen früh klären.


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