23. Juli 2010 Fez – Errachidia („Source bleu de Meski“)

Tagesetappe: 390 km

Aufbruch wie gewohnt am späten Vormittag. Der Platz in Fez kostete uns 150 MAD pro Nacht. Wir wollten bis nach Errachidia fahren, kurz vor der algerischen Grenze und knapp 350 Kilometer von hier über den Atlas.

Noch mal fix zum Marjane die Lebensmittelvorräte für die Wüstenetappe aufstocken. Eine solche luxuriöse Einkaufsmöglichkeit würden wir wohl vor Marrakech nicht mehr finden. Die anderen schauten mich seltsam an, als ich zwei Sixpacks Pepsi Max ohne Zucker in den Wagen hieve, doch das ist mir Wurscht. Will ja nicht nur Wasser saufen, hin und wieder ein wenig Geschmackerl in der Brühe tut schon gut, egal wie warm es ist. Ein paar marokkanische Weine gingen auch mit, um nicht ganz auf dem trockenen zu sitzen.

In der Attijariwafa-Bank vor Ort tauschten wir unsere letzten Euros um. Auf Nachfrage erhalten wir das Wechselgeld in druckfrischen 20-Dirham-Scheinen. Da offensichtlich chronische Klein- und Wechselgeldnot herrscht, besonders wenn Touristen mit ihren großen Scheinen ankommen, ist es immer besser selbst mit ausreichend Kleingeld bestückt zu sein.

An der Afriquia-Tankstelle direkt gegenüber wurde der 80-Liter-Tank geflutet (km 327.191) und ab dafür. Schilder nach Ifrane oder Azrou fanden wir nicht, daher wählten wir die falsche Route aus Fez heraus und fuhren zu weit östlich in Richtung Sefrou. Von dort aus fuhren wir rechts ab nach Westen und kamen so auf die richtige Verbindung, die N8.


Baustelle en marocaine



Querverbindung von Sefrou zur N8






Käptn an Brücke: Anstieg beginnt!

Wir stiegen langsam auf über 1500 Höhenmeter auf und kamen in Ifrane an, das sehr edel rüberkommt. Es wird auch die „kleine Schweiz Marokkos“ genannt und tatsächlich könnte das ganze hier auch in den Alpen stehen, wenn man kleine Abstriche macht. In dieser Gegend gibt es fast ausschließlich europäisch angehauchte Häuser mit spitzem Dach, während man überall sonst nur die arabischen Flachbauten sieht.


das Refugium der marokkanischen Bourgeoisie


Eine gutaussehende Polizistin zeigte uns den richtigen Weg weiter nach Azrou, da die Beschilderung mal wieder außerordentlich beschissen war. In Azrou bogen wir links ab auf die N13 in Richtung Mittlerer Atlas und bald sollte es auf über 2000 Meter Höhe gehen, allerdings ohne Serpentinen oder starke Steigungen. Im Zedernwald, den man auf dieser Strecke durchquert, gibt es freilaufende Äffchen, die auch gerne mal die Straße versperren. Wir hielten an einer Lichtung neben zwei Schmuck- und Ramschhändlern, die wir mangels Kaufinteresse schwer enttäuschten und machten Bilder von den großen und den kleinen Affen.












Wenig später, auf 2178 m. ü. M., findet sich der Col du Zad, also auf Deutsch der Zadpaß. Dort hielten wir an um den Daimler photographisch in Szene zu setzen und die kühle Luft für ein paar Minuten zu genießen. Wie aus dem nichts rannten plötzlich zwei Jugendliche von einem Berg herunter zur Paßhöhe und bettelten uns um Zigaretten an. Mangels sich überschneidender Sprachkenntnisse konnten wir uns nicht mit ihnen unterhalten.


Atlasbewohner holen sich hier ihr Wasser, während ein anderer seine Webadresse an den Brunnen schreibt



N13, Mittlerer Atlas



Paßhöhe

Beim Abstieg aus dem Gebirge kamen wir an einem ziemlich heftigen LKW-Unfall vorbei, bei dem es nicht so aussah, als ob der Fahrer überlebt hätte. Zumindest nicht, wenn er wie 99 % aller Verkehrsteilnehmer hier nicht angeschnallt war. Der Sand wurde roter, das Grüne wurde weniger. Als wir an der Ziz-Schlucht, wo sich der Fluß canyonartig in das Gestein gegraben hatte, angekommen waren, ging die Sonne unter.






Midelt



Einfahrt zur Ziz-Schlucht


ein einsamer /8 macht hier seine Runden ...

Der Campingplatz „Source bleu de Meski“ (31°51'20" N, 4°16'50" W), wenige Kilometer hinter Errachidia, ist etwas schwer zu finden, besonders wenn die Hälfte der Besatzung schläft und die andere kurzsichtig ist. Das Schild haben wir nämlich gekonnt übersehen. Vor Ort geht es eine sehr steile Abfahrt aus Kopfsteinpflaster herunter zu einer palmenbesäten Oase an einem kleinen Fluß. Am Eingang wurden wir von einem Deutsch sprechenden Berber empfangen und eingewiesen. Jeder zweite hier sprach Deutsch und umgarnte uns. Wir waren die einzigen Touristen neben unzähligen Marokkanern, die entweder hier im Sommerurlaub waren oder hier wohnten.

Ein ungefähr 13-jähriger Junge namens Toufik, der mit ein paar Freunden einen Stellplatz weiter hauste, kam zu uns und unterhielt sich mit uns, obwohl wir eigentlich etwas Ruhe haben wollten. Doch er war uns sehr freundlich gesinnt und bot uns an, unsere Getränke in seinen Kühlschrank stellen zu können. Unsere Einladung auf ein Bier schlug er ab, weil in zwei Wochen Ramadan sei. Sei's drum.

Er erzählte, daß er sich selbst Deutsch und noch einige andere Sprachen beigebracht habe und sprach wirklich außerordentlich gut dafür, daß er noch nie in Deutschland gewesen war. Während er sich mit uns unterhielt flechtete er, zunächst unbemerkt, aus jeweils zwei Palmenblättern kleine Kamele in diversen Variationen, die er uns alle nach und nach schenkte. Er scheint dies wohl aus Langeweile schon perfektioniert zu haben und flechtete mal ein Kamel mit Schlaufe, mal ohne, mal mit zwei Körben links und rechts usw.–

Inzwischen war Taylan in Richtung der sanitären Anlagen am Pool gelaufen und meldete azlaähnliche Zustände dort. Damit war klar, daß wir hier nicht länger als eine Nacht bleiben würden. Toufik erklärte uns, daß das kleine Häuschen in der hinteren Ecke des Platzes die Toilette und Dusche „für die Europäer“ darstelle, es jedoch momentan mangels Europäern geschlossen sei.

Ich fragte ihn außerdem, ob er eine Werkstatt in Errachidia kennen würde, die mir günstig die Handbremse am 123er einstellen könnte. Die sollte unbedingt gemacht sein, bevor wir die beiden geplanten Pässe im Hohen Atlas fahren. Er bejahte das und verabredete sich für morgen früh um 10 Uhr mit mir, um in die Stadt zu fahren und die Reparatur zu erledigen – inshallah.

Wir kochten anschließend unser Abendessen auf dem Gaskocher aus Fez. Die Temperatur war immer noch weit über 40 °C und die Luftfeuchtigkeit unerträglich. Schlafen konnte jetzt, obwohl es kurz vor Mitternacht war, niemand.

Wenig später, Taylan war bereits im Zelt, das wohl mit jeder nordfinnischen Sauna hätte schritthalten können, kam von Gegenüber ein etwas zerzauster Berber zu uns, der ein paar Bröckchen Englisch sprach und begann, sich mit uns über Philosophie und Religion zu unterhalten. Daß er es mit letzterer nicht allzu genau nahm konnte man an seinem berauschten Geiste manifestieren. Plötzlich bat er uns, kurz zu warten, denn er würde uns jetzt auf einen „moroccan whiskey“ einladen. Wir dachten, es würde sich dabei um den allseits geschätzten Zucker mit Minztee handeln, doch holte er aus seinem Versteck mehrere kleine Flaschen Anisschnaps hervor, welcher wohl hier als günstiger Ersatz für richtigen Alkohol herhalten muß. Der Schnaps schmeckte grausig, erinnerte entfernt an Ouzo und jegliche Wirkung blieb aus. Wir konnten nur hoffen, daß wir am nächsten Morgen nicht erblindet sein würden.

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