21. Juli 2010: Chefchaouen – Fez
Tagesetappe: 220 km
Aufbruch am späten Vormittag. Entgegen
der Erwartungen der anderen kamen Hanna und Mahmud tatsächlich zum
Campingplatz um mit uns zu frühstücken. Der Platzwart ließ die
beiden jedoch nicht rein, weil sie ihre Pässe nicht dabei hatten.
Also aßen wir direkt vor dem Campingtor. Wir tauschten noch die
Handynummern für den Fall der Fälle aus verabschiedeten einander,
bezahlten unsere zwei Nächte (120 MAD pro Nacht für vier Zelte und
das Auto excl. Waschmaschinenbenutzung) und fuhren zunächst in die
Innenstadt, wo ich den Wagen tankte und das Gepäck oben festzurrte.
Kurz nach dem Ortschild hielten wir noch mal an einem Kiosk um die Wasservorräte aufzustocken und noch mal auf Chefchaouen zurückzublicken. Diese Stadt können wir uneingeschränkt empfehlen. Gerade weil sie nicht allzu groß geraten ist hat es uns hier sehr gefallen. Ungefähr eine dreiviertel Stunde nach der Abfahrt, auf der N13, machten wir eine erste kurze Rast. Währenddessen klingelte das Handy mit der marokkanischen SIM-Karte, das mir Florian mitgegeben hatte. Mahmud war dran und erklärte, daß er seinen Haustürschlüssel vermisse und fragte, ob wir ihn hätten. Wir meldeten Fehlanzeige und vertrösteten ihn.
Ganz normale Szene
bei 90 km/h, aber es kommt noch besser:
Knapp 50 Kilometer vor Fez hielten wir
in einem kleinen staubigen Dorf um eine Kleinigkeit zu essen und
einen Tee zu trinken. Eine restaurantähnliche Einrichtung
rechterhand wurde auserwählt. Wir wurden natürlich gleich als
Touristen erkannt, was den vermeintlichen Besitzer des Lokals dazu
veranlaßte, seine Lebensgeschichte zu erzählen. Wir sollen ihn
einfach „Papa Moustaffa“ nennen, er sei schon oft in Deutschland
gewesen und wußte sogar, daß Wiesbaden die Hauptstadt von Hessen
ist. Er hatte extrem gerötete Augen und kaum noch Zähle im Mund. Wir
gaben unsere Bestellung: Tajine und Tee auf und warteten
eine recht lange Zeit. Eine Karte gab es nicht. Der Tee kam und
schmeckte vorzüglich. Irgendwann rannte dann ein Junge aus dem
Restaurant auf die andere Straßenseite und brachte einen Tajine-Topf
mit. Der wird doch nicht etwa? Doch, wird er. 20 Minuten später kam
dieser Topf bei uns auf den Tisch. Das Essen schmeckte wirklich gut,
doch seltsam war es schon. Nachdem wir die Weiterfahrt antreten
wollten und dementsprechend in Geberlaune waren, ging ich in das Haus
hinein. Dort sah ich weder eine Küche, noch eine Bedienung sondern
nur mehrere Gestalten herumsitzen und Tee trinken. War wohl doch kein
Restaurant. Papa Moustaffa war
verschwunden und von denen die dort saßen sprach keiner Englisch.
Der Tajine-Junge kam dann ein paar Ewigkeiten später zu uns und verlangte 170 MAD für die paar Tee und die Tajine. Wir waren schockiert ob dieser Abzocke, denn in Chefchaouen haben wir für ein vergleichbares Menü weniger als 100 MAD bezahlt. Der Junge war sich aber seiner Sache ganz besonders sicher und ließ sich von Taylan nicht von seiner Forderung abbringen. Moustaffa, erklärte er, sei „zur Arbeit“ und könne die Sache nicht auf Englisch mit uns klären. Welch ein bedauerlicher Zufall! Wobei man sich natürlich fragt, was er vorhin bei uns am Tisch gemacht hat, wenn er erst jetzt zur „Arbeit“ gegangen ist und was jemand während seines Kiffrausches so alles arbeiten soll. 200 Dirham wechselten zähneknirschend den Besitzer, doch das Wechselgeld ließ auf sich warten. Der Junge ging zurück in den Teetrinkerraum und kam kurz später zurück und ließ verlauten, daß noch weitere 70 Dirham fehlen würden. Welch ein dreister Betrug!
Jede Diskussion und jedes Vorrechnen der
Wahrheit war hier unnütz, wir
warfen ihm unsere Verachtung entgegen, standen auf und gingen zum
Auto. Natürlich nicht ohne daß er uns hinterhergerufen hätte und
-gelaufen wäre. Doch Geld bekam dieser dreiste Bengel keines mehr
von uns. Wir sind hier doch nicht die Melkkuh.
Ebenfalls skurril an diesem „Lokal“ war,
daß man auf dem, was sie Toilette nannten, extra eine Klofrau
hinstellten um dort von den fünfeinhalb Besuchern am Tag jeweils drei
Dirham für die Benutzung einzukassieren. Es
wirkte alles ziemlich unwirklich hier. Aber c'est Afrique.
Zurück auf der Straße beschlossen wir, keine Restaurants ohne Preiskarte mehr in Anspruch zu nehmen. Dies eben war wohl das Lehrgeld. 50 Kilometer vor Fez entdeckte Francis in seinem Rucksack das Schlüsselband von Hanna mit Mahmuds Schlüssel dran. Ganz großes Tennis! Er hatte ihn wohl unbemerkt nach dem Frühstück eingesteckt. Eine SMS ging nach Chefchaouen mit der Meldung des Fundes. Mahmud wollte, daß wir den Schlüssel einem Freund geben, der sich in Fes mit uns an einem McDonald's treffen würde. Wir funkten zurück, daß wir ohne weiteres den McD in dieser großen Stadt nicht finden würden und sein Freund besser zu unserem Campingplatz kommen solle. Diese SMS blieb unbeantwortet.
Wir kämpften uns durch Fez, oder
besser, gemäß Florians Beschreibung über die Umgehungsstraßen an
Fes vorbei, und fanden den Campingplatz Diamant Vert (33° 59'16.08" N,
5° 1'7.98" W), der sich redlich hinter dem
angrenzenden gleichnamigen Schwimmbad versteckte. Wir meldeten uns an
und fuhren gleich noch einmal raus um in dem nich weit entfernten
Marjane einzukaufen und Geld zu wechseln. Auch eine Kiste „flag
speciale“-Bier ging mit, für knapp 20 EUR. Wer hat, der hat. Ein
ergänzendes und unsere Schlafplatznot beendendes Dreimannzelt war uns
mit knapp 400 Dirham dann doch zu teuer.
Der Marjane; kommt
den französischen Auchan- oder Carrefour-Märkten nahe, läßt sich auch
mit real,- oder Kaufland vergleichen. Hier gibt es so gut wie alles was
das Touristenherz begehrt.
Der Campingplatzbesitzer sprach ausgezeichnetes Englisch und empfohl uns eine halbtägige deutschsprachige Stadtführung für nur 150 MAD. Noch kurz vor der Abfahrt hatte ich die zdf-neo-Reportage „Abgefahren“ über die Dust-and-Diesel-Tour gesehen, wo eine Gruppe auch eine solche Stadtführung gemacht hatte, und sie erschien mir doch ganz praktisch, gerade zu dem Preis. Nach Rücksprache mit den anderen rief ich mit seinem Handy Ali, den Stadtführer, an und machte das ganze für morgen, 14 Uhr, fix.
Der Kasten Bier sollte an diesem Abend
noch geleert werden. Habe schon schlechtere Biere als dieses „flag“
getrunken, welches in Marokko gebraut wird. Die Temperaturen blieben
angenehm und auch die Mücken hielten sich zurück, daher schliefen wir
auf der Wiese.