16. Juli 2010: Frankreich – Tarifa

Tagesetappe: 1820 km

Um 4:36 Uhr erreichten wir die Solred-Tankstelle La Jonquera auf spanischem Boden. Endlich waren wir von Frankreich erlöst. 52,20 EUR Maut sind wir dort losgeworden, für kaum mehr als 450 Kilometer Autobahn. „Nie wieder!“, stimmten wir an. Bei Kilometerstand 325.201 wurde der Daimler mit feinstem spanischen Diesel für 1,096 EUR /L bis zur Halskrause gefüllt. Endlich konnten wir auch wieder in einer Sprache kommunizieren und hatten uns vom „elendsten romanischen Jargon“ gelöst. Francis konnte nun seine Tätigkeit als Sprachmittler aufnehmen. Aber auch auf Englisch wurde ich verstanden. Francis fuhr weiter, ich wechselte auf die Rückbank und hoffte dort kurz abschalten zu können. Vergebens. Eine innere Unruhe in mir verhinderte den Schlaf. Von der Grenze bis Barcelona bezahlten wir knapp 12 EUR für die makellose Autopista, noch einmal 3,50 EUR auf dem Autobahnring entlang der katalanischen Metropole, anschließend wechselten wir auf die Straße in Richtung Zaragoza.

Ich hatte vorher im Internet recherchiert und herausgefunden, daß man auf dem Inlandsweg ab Zaragoza mautfrei über die Autovias fahren kann, während man auf der Küstenroute über Valencia noch viele hundert Kilometer mautpflichtig unterwegs ist, respektive es keine Alternative zur kostenpflichtigen Autopista gibt. Unser Umweg über Zaragoza und Madrid, knapp 100 km, wird also durch die Mautfreiheit wieder wettgemacht.

Positiver Nebeneffekt ist, daß man sich die Konfrontation mit mobilen Abzockerbanden spart, die angeblich auf der Route über Valencia ihre Geschäfte mit gestellten Pannen und ähnlichem betreiben. Hatte ich zwar keine große Angst vor, da ich sowieso nie reich aussehe, aber dieses Argument kann man natürlich auch in Betracht ziehen, wenn man seine Route anhand dieses Berichtes planen möchte.

Weiter im Text: Kurz vor Zaragoza entschlossen wir uns zu einer Frühstückspause. Ein gut ausgebauter Rasthof mit Brückenverbindung über die Autobahn wurde auserwählt und angesteuert. Den Daimler konnten wir unter einem Sonnenschutz parken, der bei knapp 40 °C auch angebracht war. Wir gingen über die Brücke auf die andere Seite, fanden dort aber lediglich ein kantinenähnliches Restaurant. Selbst ein belegtes Brot war uns mit knapp 4 EUR deutlich zu teuer. Wir gingen zurück und kauften in der Tankstelle Wasser, Brot und Wurst ein und verzehrten es gemeinsam mit Aufstrichen aus unserer Freßkiste, die hiermit offiziell angebrochen wurde.

Die Sonne sengte unerbittlich, nicht daß wir vorher schon verschwitzt und verkeimt gewesen wären. Eine Dusche wäre angebracht und im Rasthof auch möglich gewesen, aber der Aufwand war zu groß als daß sich jemand dazu durchringen hätte können. Fragen, Koffer abschnallen, laufen, schwitzen, duschen, wieder anfangen zu schwitzen und Koffer wieder draufschnallen. Wir verschoben das ganze auf unsere Ankunft in Tarifa und gaben uns bis dahin unserem Schicksal geschlagen. Ich fühlte mich, immer noch schlaflos, doch wieder ganz fit und übernahm bis hinter Madrid. Hinter Zarazoga endete wie geplant die Maut, insgesamt waren wir in Spanien damit für die gesamte Landesdurchquerung knapp 35 EUR losgeworden. Ab sofort konnte man über die nicht immer einwandfrei aber doch sehr gut ausgebauten Autovias fahren, vergleichbar mit unseren vierspurigen baulich getrennten Bundesstraßen. Das Navi wurde entsprechend instruiert.

Hinter Madrid mußte bei km 325.955 wieder getankt werden. Der nun volle Tank sollte meinen Berechnungen nach bis Tarifa reichen, wir wollten natürlich nicht mit vollem Tank in Ceuta und Marokko ankommen. Katha übernahm das Steuer und wechselte sich etwas später mit Francis ab, während ich auf dem Beifahrersitz sinnlos herumsaß und meine Zeit mit photographieren und filmen verbrachte. Über Jaen und Granada (A4 und A44) erreichten wir Malaga. Ich übernahm das Steuer wieder und machte mich auf, den Rest bis Tarifa selbst zu fahren. Auf den letzten 50 Kilometern vor Malaga fährt man auf der A45 von der Hochebene auf Meereshöhe herunter. Diese Strecke fand ich atemberaubend, hinzu kam der hier gegenwärtige Sonnenuntergang.

Einen halbstündigen Stau am Autobahndreieck Malaga, in dem die ersten marokkanischen Kennzeichen gesichtet wurden, überwunden ging es weiter in Richtung Tarifa. Die Belegschaft meldete Heißhunger und so gingen wir auf der Suche nach einem etwas anderen Restaurant. Das Navi wußte auch sofort etwas schlaues, führte uns nach Fuengirola, doch dort wo der McD sein sollte fanden wir nichts. Francis frug einen umherstreunenden Passanten, dieser riet uns zu einer Burger- und Pizzabäckerei ein paar Straßen weiter zu fahren. Auch dort fanden wir nichts. Herrgott, was ist denn hier los?

An einem kleinen Kreisverkehr fanden wir eine recht urige Gaststätte mit Außenterasse, auf der die Einheimischen ausgelassen aßen und tranken. Getreu dem Motto „Wo der Einheimische ißt, kann es nicht schlecht sein“ gesellten wir uns dazu. Der Chef, ein alter rüstiger Mann bediente uns und verstand weder Englisch noch Francis' chilenisch angehauchtes Spanisch. Er muß sich wohl vorgekommen sein wie ein Urbayer der von einem Holländer zugetextet wird. Unser Bier, die Cola und ein paar Sandwiches konnten wir dann doch mit ihm klar machen, doch daß Taylan etwas ohne Fleisch wollte, verwirrte ihn so sehr, daß er ihm statt eines vegetarischen Sandwichs einen Salat brachte. Unsere Nachbestellung löste sich in Wohlgefallen auf. Es gab keine Karte und abkassieren wollte uns trotz mehrfacher Nachfrage auch keiner. Wir überschlugen grob den Betrag für unser Mahl, legten das Geld auf den Beilagenteller und düsten ab. Immerhin hatte es nicht schlecht geschmeckt. Kurz vor Algeciras kam auf den Verkehrsinfoschildern die Meldung, daß der Hafen Tarifa für die nächsten Tage gesperrt sein würde. Was soll das denn?

In Algeciras fuhr ich zum Hafen, um die Situation abzuklären. Die Polizisten und Hafenwegweiser sahen uns ganz komisch an, aber wir wurden doch durchgelassen. Vor Ort gingen Francis und ich zu den Schaltern und fragten nach. Hinter dem Panzerglas hockten auch jetzt nach Mitternacht lauter eifrige Marokkaner, die Tickets an den Mann bringen wollen. Deren Antwort auf meine Fragen: „Natürlich ist in Tarifa alles zu, es geht nur von Algeciras aus, am besten jetzt und gleich, schau mal, ich habe ein ganz tolles Angebot mit superkrasser Fähre und geiler Verbindung und bin quadrillionenfach günstiger als der Habibi nebenan.“ Ja sicher, ist klar. Noch verunsicherter als zuvor entflohen wir dem Hafen und steuerten den Campingplatz in Tarifa an. Bei Tageslicht wollten wir die Situation dann näher beleuchten.

Von Algeciras nach Tarifa betrieb ich äußerst spaßiges Kurvenoptimieren, da ich der einzige anwesende Verkehrsteilnehmer war. Tarifa ließen wir zunächst links liegen und fuhren direkt zur GPS-Position des Campingplatzes „Torre de la Pena“ (36° 3'22.5" N, 5° 39'33.18" W), den mir Florian empfohlen hatte. Das Tor linkerhand auf der Position war verschlossen, durch den Zaun konnte man Wohnmobile und Zelte erkennen. Scheiße, ist das Ding zu? Während wir grübelten und uns berieten schoß ein Fahrzeug der Guardia Civile aus dem Wald und leuchtete uns an. Wir dürfen hier nicht Rast machen und sollten weiterfahren. Francis erklärte die Situation, sie fuhren weiter.

Der Beschluß lautete nun, in Tarifa einen Schlafplatz zu finden, vielleicht am Strand? Dort angekommen fand sich nur der Hafen, von diesem nicht einmal der richtige Eingang und kein passabler Strand. Auch der Zugang zum südlichsten Punkt Europas, den ich mir ansehen wollte, fand sich bei der Dunkelheit nicht. Wir fuhren wieder in Richtung Campingplatz und hielten Ausschau. An die Tankstelle rechterhand grenzte ein kleines Einkaufsgeschäft mit überdimensioniertem Parkplatz (36° 2'14.16"N, 5°37'12.77"W). Mangels Alternativen stellte ich den Wagen dort ab. Es sollte eine kurze Nacht werden, doch nach über 36 schlaflosen Stunden war mir und den anderen, die seit Tübingen auch nicht allzuviel ruhen konnten, alles recht. Ich legte mich auf den Dachgepäckträger, die anderen blieben im Auto.

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