15. Juli 2010: Tübingen – Frankreich

Tagesetappe: 730 km

Am Morgen ging ich zunächst zum Auto und fuhr zum ATU in Tübingen, dessen Adresse ich mir noch am Abend vorher aus dem Internet gepickt hatte. Ich wollte noch ein wenig Bremsenreiniger kaufen, da der mitgeführte gestern bei der Bremsenreparatur drauf ging. Das Sagrotan des kleinen Mannes kann man immer gebrauchen, wenn man mit dem Auto unterwegs ist, und sei es nur, um es seines Zweckes zu entfremden. Da die Handbremse jetzt aber gut wie gar nicht mehr funktionierte und da noch gehandelt werden mußte, marschierte ich jedoch in diesem Fall mit Hintergedanken in den ATU. Es gab natürlich nur raumfahrtgeprüften ökologisch fair handgeknüpften Bremsenreiniger zu exorbitanten Preisen von sechs Euro die Dose. Günstigeres gäb's nicht und offenbar saß der Verkäufer nur noch seine Kündigungsfrist ab, denn freundlich oder gar motiviert war er nicht. Hamwa ned, wollnwa ned, kennwa ned. Bloß raus hier, am besten gleich ganz raus aus der Servicewüste.

Einen Versuch gab ich dem Wirtschaftswunderland noch: Ich fuhr an den Ortsausgang, an dem ich eine Werkstatt für alte Volvos gesehen hatte. Vielleicht hatte man hier ja Lust Geld zu verdienen und mir die Handbremse für einen schmalen Taler zu richten, doch mich beachtete man nicht, auch wenn ich 5 Minuten lang in der Einfahrt herumstand wie bestellt und nicht abgeholt. Das war's, jetzt reichte es mir. Sollen das halt die Marokkaner machen, bis dahin schaffen wir es auch ohne Handbremse.




Erdem karrte aus der Sozialbäckerei noch Kaffeestückchen vom Vortag und frischen Kaffee zum Ort des Spektakels. Dies bildete unser Frühstück währen wir das Gepäck auf dem Dach verzurrten. Erdem wies uns den Weg zum nahegelegenen Kaufland, dort stockten wir die Flüssigkeitsvorräte auf und fuhren los, dem Abenteuer entgegen. Halt, nein. Francis wollte noch einen alten Freund besuchen, der auch in Tübingen wohnt. Wir fuhren auf einen Berg und besuchten ihn in seinem suspekten Kameradschaftswohnheim. Das hieß: Francis unterhielt sich mit ihm, Katha und Taylan rauchten und ich checkte noch einmal das Auto durch. Anschließend gab ich Ventimiglia an der italienisch-französischen Küste als Ziel in das Navi ein und wir ließen uns der Sonne entgegen führen.

Vor der Schweizer Grenze bei Schaffhausen ließ ich noch mal den Wagen mit Deutschem Diesel vollaufen (km 324.257), nicht aus gründen der Steuersolidarität sondern weil es tatsächlich mittlerweile günstiger ist als in der Schweiz. Das Auto wurde bei der Gelegenheit noch entmüllt und dann näherten wir uns der Confoederatio Helvetica. Das obligatorische Grenzphoto D-CH durfte nicht fehlen, ich wies Taylan an, sofort zu schießen. An der Grenze wurden wir rausgefischt und unsere Pässe eingezogen. Taylan durfte zum Einzelverhör ins Büro mitkommen. Wieder die gleiche Aktion wie bei Gomez und mir letztes Jahr? Nein, Taylan kam zurück und wir durften nach einer Kofferraum-auf-zu-Einlage und der Frage, wohin es ginge (Spanien natürlich! Wer hier Marokko erwähnt, ist selbst schuld ...) unverzüglich weiter fahren. Der Grenzer hat mit seinen Adleraugen unsere schelmische Aktion beobachtet und Taylan mit coolen Westernsprüchen („Sie oder Ich?“) aufgefordert, die Bilder zu löschen. Ob man ihm mal zum Thema Bilder von Schweizer Grenzanlagen über Google Earth oder allgemein das Internet referieren sollte? Sinnlose Wichtigmacheraktion, fand ich.

Der eigentliche geplante Umweg über Genua und die Südküste erschien uns während der Kreuzung der Schweiz dann doch als etwas zu umständlich, die Zeitplanung ergab unter diesen Umständen eine Ankunft in Tarifa erst in knapp zwei Tagen, wenn man auch noch Pausen machen wollte. Außerdem konnte man mit dem Dachgepäckträger, den schlechten Reifen und dem ausgenudelten Lenkgetriebe kaum mehr als 100 km/h fahren, die anderen schon mal sowieso nicht, sie verfügten über kaum bis gar keine W123-Fahrerfahrung. Wir einigten uns auf die direkte Route quer durch Franzland und wollten dem „peage“-System eine Chance geben. Auch wenn uns klar war, daß das kein günstiger Spaß wird. Notfalls könnten wir ja immer noch die Landstraße zur Mautprellung nehmen, so der Tenor.

An einem Rastplatz kurz vor Genf wollte ich den Kanisterinhalt den ich an der Grenze D-CH einfüllte in den Tank laufen lassen (km 324.622). Mit dem eigentlich für solche Zwecke mitgeführten Dieselschlauch klappte das natürlich just in diesem Moment gar nicht, da ich nur die Hälfte des Kanisters damit ansaugen konnte. Ich mußte den Kanister abschnallen und weil ich ihn gerade in der Hand hatte zerschnitt ich, um die Sache endlich zu Ende zu bringen, eine PET-Wasserflasche entlang des Greifeinschnittes auf der Hälfte der Höhe, stellte Francis als Halter an und schüttete den Kraftstoff hinein. Das neugeschaffene Einfüllwerkzeug wanderte folgerichtig in die linke Kofferraumtasche.






Die Grenze CH-F passierten wir ohne Kontrolle und fanden uns ziemlich schnell an der ersten Mautstation ein. Karte gezogen und abwarten was passiert. Bei Grenoble fand die erste Abrechnung statt. 13,10 EUR für weniger als 70 Kilometer. Indiskutabel. Wutentbrannt über diese Abzocke wechselte ich auf die Landstraße. Spaß machte das nicht. Ich war sowieso schon müde und die meist sinnlosen Kreisverkehre steigerten die Fahrfreude durch dieses Land nicht sonderlich. Als dann auch noch offiziell die Jagd auf 123er mit Deutschen Kennzeichen eröffnet wurde und ich die Scheinwerfer der hinter mir herfahrenden „Verkehrsteilnehmer“ regelmäßig nicht mehr im Rückspiegel sehen konnte wurde mir das ganze zu bunt. Wieder auf die Autobahn. Nur raus aus diesem sinnlosen Land. Das nächste Mal wird besser organisiert, hoch und heilig versprochen. Dieses Mal muß der Geldbeutel halt leiden. Aber keine Sorge, irgendwann wird das schon wieder in meine Tasche zurückfließen, dafür versuche ich zu sorgen.

Bei Montpeillier gewann die Müdigkeit schlußendlich. Nachdem ich schon knapp 200 km in Trance gefahren war übergab ich das Steuer an Francis und versuchte auf dem Beifahrersitz den Schlaf nachzuholen. Vergeblich. Francis kam mit der 123er-Lenkung gar nicht zurecht und schlingerte auf der rechten Spur hin und her. Statt schlafen zu können mußte ich ihm also nun eine kleine Fahrstunde geben. Anschließend bekam ich auch kein Auge mehr zu. Wenn ich mal kurz davor war, einzuschlafen, kamen wir an eine Mautstation und ich mußte die Kreditkarte zücken.

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