14. Juli 2010: Wiesbaden – Tübingen

Tagesetappe: 250 km

Der Tag der Abreise. Der Wecker klingelte gegen 10 Uhr. Ich warf meinen Koffer in den dazugehörigen Raum und fuhr los. Der Kilometerzähler wies einen Stand von 323.808 km auf. Zuerst holte ich Katha ab. Sie hatte neben ihrer Reisetasche zwei riesige Beutel mit Essen dabei. Deren Inhalt hätte durchaus uns vier Personen für eine Woche versorgen können, doch war der Plan eigentlich der, erst in Marokko einen Gaskocher zu kaufen. Ich fand vor Abfahrt nichts zu vernünftigen Preisen und hörte, daß man die Dinger in Marokko an jeder Ecke für wenige Euro bekäme. Schon als Francis dazugestiegen war, näherte sich der Daimler der Kapazitätsgrenze. Ich verwies Francis' Gitarre des Autos, da Taylan bestimmt auch noch Sachen dabei haben werde. Das Verzurren auf dem Dachgepäckträger verschob ich auf den Moment, an dem wir mit Taylans Gepäck im Auge abschätzen konnten, was mit müsse und was nicht. Vor Taylans Tür begann ich also zunächst die vier Taschen bzw. Koffer auf's Dach zu zurren. Der Campingtisch konnte mangels Gurten nicht mehr sicher untergebracht werden und die beiden Essenstaschen wanderten in die Fondfußräume. Der Kofferraum war bereits mit der gestern beim real,- aufgefüllten Freßkiste, der Werkzeugkiste, den Zelten und Schlafsäcken und diversem Kleinkram bis auf den letzten Kubikcentimeter gefüllt. Der handliche Fünfliterkanister und der Campingtisch blieben in Taylans Wohnung zurück. Katha erwähnte, daß Ihr Vater noch ein paar Spanngurte in der Garage hätte, diese holten wir dann noch für eventuelle Notfälle ab. Anschließend wurde der Beladungszustand zu Beginn der Feindfahrt dokumentiert:



Katha und Francis, die jetzt auf der Rückbank saßen entdeckten die Hutablage als Freiraum und baten darum, die Gitarre nun doch wieder mitnehmen zu dürfen. Da ich nicht oft hinten sitzen werde und das Ding nicht im Nacken habe, fuhren wir noch mal zu Francis und luden die Gitarre auf. Sei's drum. Auf dem Weg zur Autobahn fiel Francis noch ein, daß er noch Geld aus dem Automaten bräuchte. Wir fuhren also noch fix zur Postbank nach Biebrich und dann aber endgütlig auf die Autobahn, raus aus der Stadt, die ich schon seit Monaten nicht mehr sehen wollte. Nun hielt mich nichts mehr auf. Doch, eines: Ich brauchte noch unbedingt eine Armeemütze, da ich mein eigentliches Exemplar bei einer promillenten Grillpartei verlegt hatte und ich nicht mehr dazu kam, sie bei Thomasz abzuholen. In Frankfurt, das noch fix höchstverbotener Weise ohne Unsinnsplakette durchkreuzt wurde, holte ich mir die gleiche Mütze beim Nato-Shop noch einmal. Anschließend auf die A5.

Gemerkt hat unsere Aktion natürlich niemand. Meine Erfahrung zeigt, daß dieses unsinnige Bapperl niemanden interessiert. Den durchschnittlichen Polizisten dürfte so etwas langweilen und vor dem Ordnungsamt hat mich schon immer eine höhere Macht bewahrt. Man sollte natürlich vielleicht nicht den ganzen Tag innerzonisch im Politessengebiet parken, aber wenn man den gesunden Menschenverstand anschaltet läßt sich auch ohne Plakette gut operieren. Schade, daß gegen solch offenkundigen Schwachsinn so gut wie nicht demonstriert wird. Eine Demo gegen die Feinstaubverordnung gab es, soweit ich weiß. Daß diese Verordnung mal wieder zum größten Teil die trifft, die sowieso wenig Geld für Neuinvestitionen haben (sonst würden sie kein altes Auto fahren), haben viele Betroffene offensichtlich erst gemerkt, als es zu spät war. Offensichtlich ist es einfach schicker oder bequemer, sein treues Altauto in die Schmelze zu schieben und gegen gesichtslose austauschbare Autos wie einen Mercedes Twingo oder eine Renault A-Klasse auszutauschen, „bevor man noch Ärger bekommt“. Am Besten noch im Rahmen einer Volksverdummungskampagne wie der „Umwelt“prämie, die mit der Umwelt ungefähr so viel zu tun hat wie die Außenpolitik der USA mit Nächstenliebe. Ein super Geschäft war das, und zwar nicht für den Autokäufer sondern für die -verkäufer, die die üblichen Prozente bei Barverkauf o. ä. einfach einsparen konnten, weil einem der geneigte Interessent dank den „geschenkten“ 2500 EUR vom Staat die Schrottkarren so oder so schon mit Kußhand aus den Händen saugte. Gemerkt haben die Hintergründe des ganzen wohl nur die wenigsten der Betroffenen.

Wir fuhren in Richtung Basel. Es ging aber nicht wie geplant in einem Rutsch durch bis nach Südspanien, denn ich wurde überstimmt, noch vor der Fahrt nach Marokko einen Abstecher nach Tübingen zu Taylans Bruder Erdem zu machen. Ich war nicht dagegen, weil ich Erdem und unseren anderen gemeinsamen Freund Peter nicht besuchen wollte, sondern weil ich einfach nur noch raus aus Deutschland wollte. Ich schlug vor, den Besuch auf der Rückfahrt durchzuführen, aber schon bei dieser Diskussion gab es einen ersten Hinweis darauf, daß wohl für die Rückfahrt andere Zeichen gelten sollten. Also nach Tübingen. Es herrschten ungefähr 45 °C im Auto, wir brateteten schon nach weniger als 100 km in unserem eigenen Sud. Wie soll das erst in der Sahara werden?

Nachtrag: Bei Mannheim mußte ich leicht bremsen, doch leichter gesagt als getan. Das Pedal ging leer durch und nahm erst beim zweiten Mal die Funktion auf. Schock. Zum Glück ließ der nächste Rastplatz „Fliegwiese“ nicht lange auf sich warten. Ich nahm die Radkappen ab, wobei eine Radkappenhalteklammer direkt durch Bruch glänzte. Die Kappe kam in den Kofferraum. Die Felge hinten links war höllisch heiß. Um der Sache auf den Grund zu gehen legte ich den Daimler mittels Kurbelwagenheber höher und nahm das Rad ab. Die Bremsbeläge waren gleichmäßig abgefahren, es hing also kein Kolben. Aber hinter der Radscheibe dampfte und brodelte eine schwarze Flüssigkeit. Also habe ich mit zittrigen Händen die Sättel abgemacht und aufgehangen und versucht, die Bremsscheibe abzunehmen, welche bombenfest saß. Nach einigen Hammerschlägen kam ich auf die Idee, daß die Handbremse noch angelegt war. Ich setzte mich, während die anderen sich schon jeweils ein Bier aufgemacht hatten, auf den Fahrersitz und löste die Handbremse. Der Wagen begann nun langsam nach hinten zu rollen. Ohne Rad hinten links fein blöd. Ich drückte wie wild das Bremspedal, aber das ging auch wieder leer durch, weil der Sattel ja nun ab war. Ganz große Leistung. Der Wagen lag nun hinten links auf der Bremsscheibe und das Bremsschutzblech war verbogen. Ich setzte den Wagen wieder hoch und sicherte ihn diesmal ordentlich. Sowas passiert einem nur einmal im Leben. Die Bremsscheibe ging nun ab und ich konnte das Problem sehen und beheben, doch es kam nun ein neues dazu. Durch mein Pedaldrücken waren die Bremsbeläge aufeinandergepreßt worden und mußten nun mithilfe einer Wasserpumpenzange, die natürlich im Bordwerkzeug nicht vorhanden war, auch vom ADAC nicht bereitgestellt werden konnte und uns schließlich von zwei bierbäuchigen oberkörperfreien slowenischen LKW-Fahrern geliehen wurde auseinandergebracht werden. Ich entfernte das kochende Fett auf der Handbremse und stellte diese ganz zurück und montierte alles wieder richtig zusammen. Ursache war, wie sich im März 2011 beim Wechsel der hinteren Radlager herausstellte, daß bei einem vorherigen Wechsel der hinteren Radlager um die Jahrtausendwende das falsche Radlagerfett eingesetzt wurde. Dieses war nun nach 10 Jahren nicht mehr fit und besaß eine zweiphasige Konsistenz, wobei die flüssigere Phase die Viskosität von Diesel erreicht hatte. Das hatte sich bei diesen Temperaturen durch den Simmering gedrückt und erhöhte Reibung hinter der Bremsscheibe erzeugt. So zumindest meine Theorie. Nach 2,5 Stunden Verzögerung ging es weiter. Ab sofort führte ich alle paar Kilometer eine leichte Testbremsung durch.

Keks, 13. April 2011

Kurz nach Sonnenuntergang erreichten wir Tübingen, Erdem empfing uns mit einer eisgekühlten Platte 5,0 Original. Da auch Tübingen mittlerweile Einreise- – ähm – Zufahrtsverbote hat mußte ich den Dachgepäckträger entladen und die Koffer in Erdems Kellerverließ schleppen. Das alles bei erdrückender Schwüle, denn kurz vorher wurde die erhitzte Luft durch einen starken Regenschauer geschwängert. Der Wagen wurde aus der „Zone“ entfernt und 500 Meter weiter an einem Hang geparkt, genau vor einen anderen classicweißen W123 200D.


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