13. Juni 2009: Ponte di Legno – Autobahn zwischen Turin und Genua

Gegen 8 Uhr wachte ich das erste Mal auf, „wejen die Hitze“. Ich blickte auf die Motortemperatur: 110 Grad. Seltsam, aber ich war noch zu schlaftrunken um nach dem Kühlsystem zu gucken. Motor aus, weiter gepennt. Gegen 11 Uhr dann aufgewacht und Kühlwasser nachgefüllt, es fehlte nur wenig. Sonst keine Anomalien festgestellt. Ich maß dem ganzen keine weitere Bedeutung bei. Wahrscheinlich, dachte ich, war der Lüfter wieder nicht leistungsstark genug. Daß der Lüfter wohl bei der Nacht oder schon vorher gar nicht mehr funktioniert haben mußte stellte ich am Gaviapaß fest, den wir anschließend bestiegen.

Zum dritten mal der Tonale, diesmal bei Tag.

Kurz nach dem Beginn des Aufstiegs, auf einem steilen Stück, auf dem die Straße nur 2,5 Meter breit und nur für Autos bis 3,5 Tonnen zugelassen ist, kam uns ein bergab fahrender, bestimmt 8 Meter lange und nicht viel weniger als 2,5 Meter breiter französischer Wohnwagen entgegen. Stempeln und auf der lächerlich schmalen Straße zurücksetzen. Die Pumpe ging sowieso schon recht gut, da blickte ich auf die Kühlwassertemperatur: 120 Grad. Schluß. Aus. Mehr geht nicht. Motor aus und ohne Bremskraftverstärker und Servo die 14% Gefälle zurückgerollt und an der erstbesten breiteren Stelle angehalten. Das Wasser dampfte wie der Kochbrunnen aus der Kühlermaske. Durch den fehlenden Fahrtwind beim Rückwärtsfahren gab ich dem Kühler den Rest. Als wir ausstiegen um uns das ganze anzugucken, fiel uns auf, daß der Wagen keinen Kaffee mehr kochte. Der Lüfter hatte ausgesetzt, wahrscheinlich schon bei der letzten Nacht und uns hatte nur die gerade ausreichende Heizungseinstellung vorm Motortod bewahrt. Ich wendete den Wagen und wir brachen den Gaviapaß ab. Der Fahrtwind kühlte den Motor schnell wieder auf 85 Grad herunter. Gerade noch mal gut gegangen.

 

Diese Kuh war ähnlich wütend wie ich und beschloß kurzerhand, aus ihrer Weide auszubrechen.

Aus unerfindlichen Gründen wollte mir in dieser Situation die Musterlösung für solche Probleme – Heizung volle Pulle auf – nicht einfallen und so beschlossen wir, das Paßfahren sein zu lassen. Ich hatte eine ungeheure Wut im Bauch, weil ich gerade wegen der Pässe hier hergefahren bin und gerade hier diese Elektrolüfter-Konstruktion versagen mußte. Eigentlich ist der Elektrolüfter ziemlich praktisch – er schaltet sich erst ein, wenn der Wagen eine zu hohe Temperatur erreicht hat und schaltet sich wieder aus, wenn die Temperatur wieder unter 90 Grad ist. Leider ist es damit wie bei aller Elektrik – sie versagt gerne zu den ungünstigsten Zeitpunkten. Nicht umsonst hat Mercedes damals einen Starrlüfter verbaut. Der läuft zwar immer mit und frißt Leistung, aber er geht höchstens kaputt wenn man ihn mutwillig zerstört. Wir beschlossen, zum Comer See zu fahren und auf dem Weg dorthin unser Glück noch mal am Forcola di Livigno zu versuchen, welcher weniger steil war. Wir wollten endlich einmal Livigno bei Tag und mit offenen Geschäften sehen.

Wir fuhren also bei Tirano zur Schweizer Grenze und ohne Kontrolle – wieder keiner an der Station – in die Schweiz herein. Unglücklicherweise gerieten wir in eine Kolonne. Der Wagen konnte nicht genug Fahrtwind aufnehmen und so verreckte uns der Wagen wieder – an einem Hang warf ich bei 115 Grad Kühlwassertemperatur den Anker und wir stellten uns an eine kleine Hütte und warfen eine Brotzeit ein. Die Temperatur ließ sich von 15 Minuten Motorstillstand überhaupt nicht beeindrucken, also drehten wir wieder um und fuhren wieder zurück nach Italien. Vor der Grenze schüttete ich den ekelhaft grün gefärbten Sprit aus Livigno vom ersten Tag in den Tank, tankte den Wagen bei 282.617 km an einer Schweizer Tankstelle zu umgerechnet 1,05 EUR/L voll und ließ noch mal 10 Liter ungefärbten Sprit in den Kanister – kommt bei einer intensiven Zollkontrolle sicher besser. An der italienischen Grenze hielt uns wieder die Guardia di Finanzia an. Diesmal war der Beamte aber nicht so eifrig wie der Kollege am Splügenpaß. „Woher? Wohin? Was zu verzollen? Nein? Gute Reise!“

Nun ging es weiter zum Comer See, erst die Landstraße, dann eine rustikale vierspurige baulich getrennte Bundesstraße, auf der ich sogar bei Vollgas ständig überholt wurde. War geil zu fahren.



Autobahnparkplatz auf dem Weg nach Lecco

In Lecco suchten wir einen Strand und badeten erst mal ausgiebig. Wertsachen versteckt, die Autoschlüssel mit Kabelbindern an mein Festivalbändchen gekettet und ab ins Wasser. War zwar trotz über 30 Grad Außentemperatur schweinisch kalt aber tat gut.

Comer See

Wir beschlossen, nun auch das Mittelmeer sehen zu müssen. Ich stellte das Navi auf Genua ein, Mautstraßen umfahren und ab ging es über einwandfreie mautfreie Bundes- und Schnellstraßen.

Wir fuhren über Mailand bis nach Novi Ligure, wo wir uns auf Nachtplatzsuche machten. Wieder fanden wir nichts und so nahmen wir die Notlösung. Auf die Autobahn nach Genua, Mautticket gezogen und auf dem nächsten Tank- und Rastplatz zwischen deutschen LKW und Partybussen übernachtet. Der Hammer waren die zwei Berliner Kifferbusse vor uns – die Leute sind ständig für „Geschäfte“ – auch mit Klopapier – in die Felder gegangen, haben gesoffen und gekifft. Innen hingen Poster von Bob Marley und Ché Guevara. Als der eine seinen Dieselmotor laufen ließ dachte ich, er würde ihn nur über Nacht laufen lassen, was mir akustisch durchaus gefallen hätte. Klang schwer nach OM61x. Leider wurde ich enttäuscht, denn sie setzten lediglich ihre Fahrt fort. Man konnte nur hoffen, daß sie zwei halbwegs nüchterne Fahrer hatten, die sich im Hintergrund gehalten hatten – denn von den Leuten, die wir sahen, sah keiner auch nur annähernd fahrtüchtig aus.

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