16. Juni 2009: Vicosoprano – Wiesbaden

Letzter Tag. Leichte Melancholie. Wir packten zusammen, säuberten das Auto von jeglichem Müll, da die Mülltonne direkt neben dem Auto stand und fuhren los. Wieder der Splügen, zum dritten Mal nun. Das Wetter war sehr gut und wie im Flug waren wir schon auf der Paßhöhe. Nun kontrollierten die Italiener bei der Ausreise, was ich sehr merkwürdig fand. Ein Beamter der original aussah wie Gigi D’Agostino in seinen besten Jahren mit Sonnenbrille auf der Glatze wollte unsere Ausweise sehen. Wir gaben sie ihm. Er machte sich mit den beiden Dokumenten auf ins Grenzhäuschen, zückte sein Telefon und telefonierte. Er muß wohl bei allen Polizeibehörden in Italien angefragt haben, ob etwas gegen uns vorliegt, so lange dauerte es. Anschließend gab er uns kommentarlos unsere Pässe wieder und wir durften weiterfahren. Seltsame Nummer. Vielleicht haben auch unsere zwei speziellen Freunde von dieser Grenzstation uns auf die Verdächtigenliste gesetzt, wer weiß. An der Schweizer Zollstation arbeitete wieder niemand und so ging es ohne Stopp runter ins Tal, auf die Autobahn in Richtung Lugano.



Dieser Ziehdröhn kam uns auf dem Weg vom Splügen ins Tal engegen

Den San Bernadino passierten wir diesmal durch den Tunnel – nur, damit ich ihn auch mal gefahren bin. Hinter dem Tunnel dinierten wir wieder in der Pizzeria Postiglione, weil es auf der Hinfahrt schon so gut geschmeckt hatte. Nun fuhren wir ohne Zwischenhalt zum Gotthardtunnel, den wir nun auch durchfuhren. 17 km Tunnel, sicherlich ein Meisterwerk der Baukunst aber wenn man durchfährt stinklangweilig. Daß es da noch nicht öfter so richtig gekracht hat ...

Hinter dem Gotthardtunnel schraubte ich die Nummernschilder nochmal richtig fest. Wir hatten während der Fahrt des Öfteren die DIN-Nummernschilder für Photozwecke montiert gehabt um schöne Bilder vom Auto machen zu können. Die hatten dieselbe Buchstaben-Ziffern-Kombination, es fehlte aber das blaue Europafeld und die häßliche FE-Schrift. Ein Opa stieg währenddessen aus seinem silbernen Kombi aus und bewegte sich auf mich zu, während ich gerade das vordere Kennzeichen beschäftigt war. Ich ahnte schon, was kommen würde. „Wos moCCCHHHHens denn do?“. Mir fiel gerade nichts Dümmeres ein als „Wonach sieht es denn aus?“. Er fragte noch einmal, ich antwortete, daß es doch verdammt noch mal danach aussehe, als wenn ich die Kennzeichen festschrauben würde. Depp, soll zuhause bleiben und sich um seinen eigenen Kram kümmern. Er antwortete nicht und verschwand. Ich dachte, die Sache hätte sich nun erledigt, doch wir waren ja wieder im deutschsprachigen Gebiet. Beim Opa ging wohl der Weltrettermodus im Kopf an und er zückte sein Handy und brabbelte auf dem Fahrersitz sitzend etwas hinein. Ich ahnte schon, daß er die Polizei angerufen hatte. Als ich fertig war gab ich das Signal zum Aufsitzen, bevor es noch den großen Showdown direkt vor Ort geben würde, in der Hoffnung, daß wir „so“ davon kommen würden.

Wir fuhren weiter auf der Autobahn und sahen nach knapp 20 km einen Wagen der Kantonspolizei am Straßenrand stehen. Nachdem er fast aus dem Rückspiegel geraten war gab er doch noch Gas und nahm die Verfolgung auf. Er überholte uns, zog zwischen den vorausfahrenden LKW und mich und gab das Signal zum Anhalten auf ca. zehn verschiedenen Sprachen. Auch hinter uns fuhr nun ein Polizeiauto und nahm uns in die Mangel. Kontrolle. Ich sagte nicht mehr als ich mußte und gab wortlos Führerschein und Fahrzeugpapiere raus. Nach fünf Minuten der Begutachtung des Wagens mußte ich aussteigen und den Kofferraum öffnen. Dort lagen die DIN-Schilder wie auf dem Präsentierteller. „Ja wos sind denn das für CHHHontrollschilder?“. Ich erzählte ihm, daß wir Bilder von dem Wagen gemacht haben als wir in den Alpen waren und wir die Schilder deswegen montiert hatten, ich aber damit nicht nach Deutschland reindürfe. Wir durften beide unsere Taschen leeren und er sah sich mein Portemonnaie durch. Währenddessen suchte sein Kollege den Innenraum meines Autos ab. Wahrscheinlich dachte er, die Schilder im Kofferraum wären nur ein Alibi gewesen und wir hatten andere dabei um uns damit blitzen zu lassen oder ähnliches. Sie wurden auf jeden Fall nicht fündig. Polizist Nr. 1 erklärte mir, daß wir dabei beobachtet wurden, wie wir die Schilder befestigten. Volltreffer. Da hat der dämliche Denunziant vom Parkplatz eben doch tatsächlich die Staatsmacht angerufen. Na klar. Ich wechsel’ am hellichten Tag auf einem vollen Rastplatz direkt am Sankt Gotthard meine Nummernschilder, weil ich Illegales vorhabe.

Nachdem wir uns durch das Vorzeigen der von uns vom Auto gemachten Bilder entlasten konnten erklärten wir die Situation und ernteten sogar Verständnis. „Ja, kann ich nachvollziehen, die alten Schilder sind tatsächlich schöner.“ gab einer der Polizisten zu verstehen. Wir durften weiterfahren. Man erklärte uns sehr freundlich den Weg zur Autobahn zurück.

Nach 10 km fällt mir plötzlich auf, daß irgendwas an der Kontrolle seltsam war. Ich dachte: „Da fehlt etwas“ und schaute in mein Portemonnaie. Scheiße! Die Polizisten haben unsere Papiere behalten. Also bei der nächsten Möglichkeit gewendet und an den Ort der Polizeikontrolle zurückgefahren. Bis wir wieder dort waren war bestimmt eine halbe Stunde vergangen, da ewig keine Ausfahrt zum wenden kam. Doch die Schweizer Polizei hatte mitgedacht und ist nicht wieder aufs Revier gefahren sondern fuhr die Straße in der die Kontrolle stattfand auf und ab, sodaß wir sie sofort wieder fanden. Ich wendete auf italienische Weise: hupend mitten auf der Straße, was sie nicht störte. Die beifahrende Polizistin sprang aus dem Auto und reichte uns sehr freundlich die Papiere und bat um Entschuldigung. Wir fuhren wieder auf die Autobahn und weiter Richtung Heimat. Was nun folgte waren 500 km Schweizerische und Deutsche Autobahn, langweilig und längst bekannt. Kurz hinter dem Darmstädter Kreuz, Wiesbaden war gerade zum ersten Mal wieder auf den Autobahnschildern erschienen, fing es an zu regnen. Der Alltag hatte uns wieder. Die Reise endete um 21:39 Uhr bei mir vor der Haustür bei 284.639 km auf dem Tacho.

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